Ich muss fast nichts und darf fast alles... Vortrag zum Buch

Ich muss fast nichts und darf fast alles… Vortrag zum Buch

Wir sind nicht plötzlich alt – wir werden alt.

Wie wir altern, ist aber (auch) unsere Entscheidung. Wenn wir nur mehr nichts tun, verfallen wir. Ganz schnell, wie ein Muskel unter einem Gipsverband.

Wenn wir aber aktiv bleiben, ein bisschen weiterarbeiten, oder vielleicht sogar in einem Ehrenamt tätig sind, ist es zu unserem aller Vorteil. Was es mit den vielen Seiten des Altwerdens auf sich hat, davon handelt das Buch „Ich muss fast nichts und darf fast alles“.

Dauer: 00:21:45

Veröffentlicht am: 28.02.2024

Transkript

Richard:
Das war das erste Mal, dass ich wissentlich mit älteren Menschen, die noch arbeiten, zu tun hatte.

Richard:
Ein

Richard:
Paar Jahre später habe ich meinen Pensionsbescheid bekommen. Das heißt, ich wurde von Amts wegen für alt erklärt. Aber ich will ja noch arbeiten. Ich will noch 20, 25 Jahre arbeiten. Aber was,

Richard:
Wenn

Richard:
Ich mit 85 noch unter dem alten Auto hervorkrieche? Soll ich das überhaupt schaffen? Wird das eher lächerlich sein? Daher habe ich überlegt, ich muss etwas anderes tun. Der Entschluss war gefasst, ich werde vom Wort leben in Zukunft. Vom Reden und vom Schreiben. Ich habe ein Buch geschrieben über alte Autos. Danke, dass Sie das zitiert haben. Inzwischen wird es als Standardwerk erklärt. Ich bin ganz stolz darauf, was immer das ist. Und habe ein paar Ausbildungen gemacht. Und bei einer dieser Ausbildungen traf ich eine entzückende Dame. Eine Frau von weit über 70, so eine weibliche Wunderkerze. Sprühlt vor Energie. Und wir reden über alles Mögliche, über Zukunft und Schreiben. Sagt sie, Oldtimer heißt im Englischen ja alter Mensch. Warum schreibst du kein Buch über alte Menschen? Da habe ich nachgedacht. Oldtimer und alte Menschen haben ja doch relativ viel gemeinsam. Wir haben viel erlebt,

Richard:
Sie

Richard:
Kommen überall hin, es dauert vielleicht ein bisschen länger. Manche fangen zum Tröpferl an, bei manchen ist eine Schraube locker. Also es gibt sehr, sehr viele Gemeinsamkeiten rund um dieses Thema. Gesagt, getan, ich habe mich hingesetzt und habe ein Buch geschrieben. Dieses Buch, das ich heute mitgebracht habe,

Richard:
Beschwingt

Richard:
Altern. Es geht hier um sieben Kapitel, frei nach Shakespeare. Das ist das Einzige, wo ich mich mit Shakespeare verbunden sehe. Er hat auch sieben Kapitel in, ich glaube, wie es euch gefällt, gehabt. Und ich schreibe oder schrieb über Leben, Loben, Lösen, Lernen, Lachen, Lieben. Und daraus habe ich Ihnen ein paar Geschichten mitgenommen. Und gleichzeitig hat mich das Schreiben und das Arbeiten mit diesem Thema dazu gebracht, dass meine neue Mission ist, dass ich freudvoll altern will. Und das, was ich dabei lerne, auch mit anderen teilen möchte. Zum Beispiel mit Ihnen. Warum ist das Thema Alter überhaupt ein Thema? Wir sind nicht plötzlich alt, wir werden alt. Und während dieses Prozesses, den ich Ihnen vielleicht ein bisschen zeigen kann, grafisch so, passiert Folgendes. Wir haben 30 Jahre Ausbildung, ungefähr. Bei manchen ist die Ausbildung auch ein bisschen wackelig, aber so ungefähr 30 Jahre haben wir Ausbildung. Dann gehen wir 30 Jahre arbeiten,

Richard:
Plus

Richard:
Minus. Und dann gehen wir in Pension. 10 Jahre, 20 Jahre, 30 Jahre, bald sind es 40 Jahre. Die Leute werden immer älter, jedes Jahr kommen drei Monate dazu. Und der erste Mensch, der 120 wird, ist schon geboren. Heißt das dann 60 Jahre Pension? Das kann es ja nicht sein. Seit wann gibt es Pension überhaupt? Das ist eine interessante Frage. Schon die Alten. Die Griechen hatten eine Verpflichtung der Jungen, für die Alten zu sorgen. Bei den Römern gab es Ähnliches. Und im Mittelalter ist wie so vieles das komplett vergessen worden. Heute scheint es mir manchmal, dass wir bald im Mittelalter wieder sind. Dann im 19. Jahrhundert, nein im 17. Jahrhundert schon, gab es etwas, einen Vorläufer der Pensionsversicherungsanstalt in England. Für Beamte natürlich. Und im 19. Jahrhundert kam das bei uns. Noch ein Anspar-System. Da waren alle… Allerdings war die Lebenserwartung ungefähr 48 Jahre. Und sie konnten dann die Versicherungsleistung mit 75 abrufen.

Richard:
Das war ein gutes Geschäft für die Versicherung, aber nur. Dann unter Adenauer hat sich das geändert. Es wurde das System geändert. Es wurde von einem Einspar-System zu einem Umlagesystem. Das heißt, die Jungen zahlen ein und die Alten kassieren. Aber immer weniger Junge müssen immer mehr Alte erhalten. Und das geht sich nicht aus. Auch wenn uns der Staat permanent… Erklärt, wie toll das ist und alle, alle Pensionen sind gesichert. Was für ein Schmarrn. Das ist ja nur, weil wir inzwischen ein Viertel der Pensionen aus dem Budget holen müssen. Also früher oder später wird das nicht gehen. Und wir werden wahrscheinlich etwas Ähnliches haben wie bei der Mobilität. Dieser individuellen Mobilität, die wir heute haben. Rückblickend gesehen wird das ein ganz kurzer Zeitraum der Geschichte gewesen sein. Weil diese Art von Pension wird es nicht ewig geben können.

Richard:
Paradiespension, das uns heute vorgegangen ist. Das ist ein ganz kurzer Zeitraum, das uns heute vorgegangen ist. Nichts tun, keine Struktur haben, nicht aufstehen müssen, vielleicht pendeln zwischen Kühlschrank, Fernseher, Kaffeehaus. Nichts gegen das Kaffeehaus. Aber wenn das alles ist, was wir tun können, was für ein schreckliches Leben. Langeweile macht sich breit und Sie kennen vielleicht auch den Ausdruck von tödlicher Langeweile. Mediziner werden mir das bestätigen können. Der Weg von der Langeweile zum Bore-Out, dem kleinen Bruder vom Burn-Out. Zur Depression und noch weiter ist oft vorgegeben. Schrecklich eigentlich. Oder Sie können reisen. Wunderbar, natürlich. Und zu einer Reise habe ich auch eine Geschichte mitgebracht. Sie sehen, ich setze mich immer hin, wenn ich lese. Vielleicht später, wenn ich müde bin, setze ich mich auch hin. Aber derweil lese ich Ihnen was vor. Es ist ein paar Jahre her, da nahm ich an einer Oldtimer-Rallye teil, auf Mallorca.

Richard:
Weil einige Teilnehmer wussten, dass ich an alten Autos, schrauben kann, wurde ich zu einem wunderschönen Hispano Suiza aus dem Jahre 1921 gerufen. Ich erinnere mich, dieses Auto hat riesige Kotflügel und hinter dem Kotflügel war ein Tisch auszuklappen. Die dazugehörigen Stühle und der Champagner war im Kofferraum. Das waren noch richtige Autos. Unter dem Auto lugten zwei Beine hervor in Arbeitsmontur, an deren Bewegung zu erkennen war, dass der Mechaniker sich mit etwas Schwerem abmühte. Dann, ein Plumps, das Getriebe fiel auf den Boden und der Mechaniker krabbelte unterm Auto hervor. Er war so um die 70, hatte kurze, graue Haare, schmale, lange Finger, schwarz vom Arbeiten und ein verschmitztes Lächeln. Er stellte sich vor. Hallo, danke, dass Sie mir helfen wollen. Ich bin die Heidi. Heidi? Heidi Hetzer, Inhaberin mehrerer Berliner Opel-Betriebe, die sie von ihrem früh verstorbenen Vater übernommen hat. Sie war eine fahrende Legende. In jungen Jahren Rallye-Fahrerin, später bevorzugte Ansprechperson aller weiblichen Celebrities, welche irgendetwas mit Autos oder Oldtimern zu tun haben wollten.

Richard:
Im Juli 2014 startete die rüstige 77-Jährige eine Fahrt rund um die Welt. Nachzulesen bei HeidiUmDieWelt.com Warum sie das tat? Weil sie konnte. Sicher auch, weil sie sich einen Traum erfüllen wollte. Ihre Weltumrundung dauerte fast drei Jahre. Sie wurde durch eigene Krankheiten und Operationen sowie durch technische Gebrechen ihres Gefährts immer wieder unterbrochen. Ich erinnere mich sogar, dass sie beim Montieren eines Keilriemen seinen Finger verloren hat. Das hat sie nicht abgehalten und verbunden und ist weitergefahren. Taffe Frau. Sie schaffte das schier Unmögliche. Gereist ist sie die meiste Zeit allein. Dies aber nur zum Teil freiwillig. Sie hatte verschiedenen potenziellen Beifahrern angeboten, sie für jeweils mehrere Wochen zu begleiten. So auch mir. Ich konnte es mir damals jedoch nicht einteilen. Heute, nachträglich, tut es mir leid, nicht mitgefahren zu sein. Auf jeden Fall sind ein paar Damen eine Zeit lang mit ihr um die Welt geschippert. Soweit ich mich erinnere, aber kein Mann.

Richard:
Ich glaube, sie schrieb in ihrem Blog, dass sie darauf bestanden habe, immer selbst zu chauffieren. Vielleicht war das der Grund, warum die Herren der Schöpfung darauf verzichteten. Ich weiß auch nicht, wie es mir gegangen wäre, wenn ich da mitgefahren wäre am Beifahrersitz. In Summe aber war es sicher ein wunderbar verrücktes Abenteuer für alle. So ganz allein mit der Idee einer Weltumrundung war sie natürlich nicht. Andere tun es mit Booten oder mit Campingmobilen und andere wieder mit Motorrädern. Allgemein ist jedoch, dass sie sich trotz höheren Alters nicht scheuen, Neues entdecken zu wollen oder Abenteuer zu machen. Manche tun es vermutlich auch, um sich selbst zu finden, wenngleich es dafür ein bisschen spät ist. Irgendwann aber hat es sich wahrscheinlich ausgereist. Die Keller sind geräumt, die Häuser sind gestrichen. Der Liegestuhl wird hart, in dem man zwölf Stunden am Tag sitzen kann. Man könnte es auch so ausdrücken, jeden Tag Wiener Schnitzel ist auch zum Kotzen.

Richard:
Wir Menschen wollen nämlich gesehen werden. Wir wollen teilhaben. Wir wollen einen Sinn finden in dem, was wir tun. Natürlich auch im höheren Alter. Sie werden es vielleicht gemerkt haben. Corona. Niedergeschraubt zu Hause. Und dann passiert das, dass sie nicht wissen, was sie bescheiterweise mit ihrer Zeit anfangen sollen. Und ich sehe meine Aufgabe darin, ein bisschen Animo zu verstreuen und zu sagen, tut etwas. Was passiert beim Älterwerden? Beim Älterwerden verlieren wir unseren Job. Und damit sehr oft auch unser Sozialleben. Vor allem wir Männer werden darüber definiert, dass wir unser Sozialleben aus unserem Arbeitsumfeld, oder sehr viel davon haben Frauen, tun sich da leichter.

Richard:
Partnerschaften. Großes Problem. So man eine hat, das Glück. Aber Partnerschaften im höheren Alter werden auch zu einer Herausforderung. Eine kleine Geschichte habe ich auch zu dieser Herausforderung dabei. Vergiss nicht. Wir haben für heute Abend Konzertkarten. Erinnerte mich meine viel bessere Hälfte. Beim gemeinsamen Frühstück. Und morgen gehe ich mit Verena zu einer Ausstellung. Magst du mitkommen? Okay. Wir treffen uns vor dem Stephaninsaal um sieben. Aber morgen? Nein, danke. Viel Spaß. Hier habe ich nun gleich drei Botschaften eingepackt. Nämlich einerseits, dass meine Frau und ich gemeinsam frühstücken. Wann immer es halt machbar ist. Das haben wir bereits zu Zeiten getan, als unsere Kinder in die Schule mussten. Denn es gab uns die einzige Möglichkeit, den kommenden und den Vortag zu besprechen und alles Organisatorische zu klären. Die zweite Botschaft ist, wir machen Dinge gemeinsam. Und die dritte stellt klar, dass wir zudem ebenfalls getrennte Wege gehen. Alle drei Voraussetzungen, alle drei Vorgangsweisen sind uns wichtig.

Richard:
Aber vielleicht sind wir auch gerade deswegen bald 40 Jahre verheiratet. Miteinander, wohlgemerkt. Weil jeder seinen Freiraum hat. Übrigens das Frühstück mache ich. Scheidungen im hohen Alter sind ein Riesenproblem. Das meistens unterschätzt wird. Und ich kann nur allen ins Gewissen reden, wann es schon sein muss, bitte macht es es rechtzeitig. Denn mit 35, 40 können Sie einen weiteren Job angehen. Sie können sich ein neues soziales Umfeld schaffen. Stellen Sie sich vor, ein Einkommen und zwei Hausstände. Schrecklich. Wir haben viele gesehen, denen das alles natürlich nicht gut bekommen ist.

Richard:
Aber auch unserer Frau, unser Körper ändert sich. Die Ärzte werden wir da. Natürlich, die wissen das viel besser als ich. Aber stellen Sie sich vor, Sie haben einen Gips. Nach einer Zeit fängt der Muskel zu schrumpfen an.

Richard:
Und dasselbe passiert mit dem Hirn. Wenn wir unser Hirn nicht permanent nutzen, schrumpft es genauso wie jeder Muskel. Und noch schlimmer, wenn Sie einen Gips haben, schrumpft das Hirn. So blöd das klingt. Weil die Synapsen nicht mehr gebraucht werden. Zum Beispiel beim Hören. Wenn man nicht rechtzeitig dafür schaut, dass man Hilfen bekommt und gegen das schlechter werdende Hören was unternimmt, kann das Hirn irgendwann einmal nicht mehr hören. Ganz egal, was Sie tun. Also, lernen heißt die Devise. Auch im höheren Alter etwas tun. Es gibt so wahnsinnig viele Möglichkeiten. Eine davon habe ich noch mitgebracht. Wir trafen uns in einem herzigen kleinen Straßencafé namens Zschäppe und Eck. Kennt wahrscheinlich niemand. Es war ein wunderbarer Spätsommernachmittag, der zum Verweilen, auf einer der gemütlichen Stühle unter der Markise einlud. Die Sonne war doch recht stark. Am Nebentisch kichernden Schülerinnen, die sich intensiv über die vorbeiradelnden jungen Männer austauschten, nicht unbedingt zu deren Vorteil.

Richard:
Kathi

Richard:
Servierte, wie immer gut gelaunt, Apparol Spritz und neueste Geschichten. Sie wusste von meinem Buchprojekt und wollte mir später die Mutter einer ehemaligen Schulfreundin vorstellen. Diese hatte sie eigens für unser Treffen eingeladen. Meine Laune war einigermaßen beschwingt, als besagte Dame erschien. Groß, gepflegt, Anfang 80, würde ich sagen. Angetan mit Hut, passender Tasche und Kostüm. Eine elegante Frau. Kathi stellte mich Annabelle vor und sogleich kamen wir ins Gespräch. Es ging flott. Von Trump über Kindererziehung bis hin zum Leben der Älteren im Allgemeinen und im Besonderen. Wir vergaßten natürlich nicht, gemeinsame Bekannte ausfindig zu machen und sie auch ein wenig auszurichten. Allerdings nicht böse. Kathi kam von Zeit zu Zeit vorbei, um zu sehen, ob wir noch etwas bestellen wollten und nach einer halben Stunde musste sich Annabelle verabschieden. Wir waren uns einig, was für ein angeregtes Treffen das gewesen sei. Kaum eine Stunde später rief mich Kathi an und wollte wissen, wie unsere Konversation verlaufen sei.

Richard:
Ich konnte ihr das Beste sagen. Ich konnte ihr das Beste berichten. Auch, dass ich wertvolle Anregungen für mein Buch bekommen hatte. Kathi schwieg kurz

Richard:
Und

Richard:
Sagte dann, du weißt schon, dass Annabelle taub ist.

Richard:
Stocktaub.

Richard:
Die hört keinen Pistolenschuss.

Richard:
Wie

Richard:
Konnte das sein? Annabelle wusste genau, wovon sie sprach, zauderte vielleicht ein wenig beim Antworten, jedoch das hat mich bei ihrem Alter nicht wirklich verwundert. Ich hatte ja vor, es dir zu sagen, aber Annabelle hat es mir ausdrücklich verboten. Hörte ich Kathi. Ich glaube, sie wollte wissen, ob du von alleine draufkämst. Und fuhr sie fort, ich soll dir ausrichten, dass sie vor Jahren sukzessive ihr Gehör verloren hat. Ihr Arzt wusste zwei Möglichkeiten, wie sie nicht alle Sozialkontakte verlieren würde. Entweder sie lernte die Gebärdensprache oder das Lippenlesen. Das dauere zwar beides, ein, zwei Jahre, wäre aber in jedem Alter möglich. Annabelle musste wohl Lippenlesen gelernt haben. Wenn also so komplizierte Lernprozesse wie eine Sprache oder das Lippenlesen für ältere Menschen machbar ist, um wie viel leichter sollten sich erst alle simpleren Tätigkeiten und Handhabungen auch im späteren Alter lernen lassen. Wie gehen wir nun mit dem Alter um?

Richard:
Ich behaupte, wie wir altern, ist eine Entscheidung. Wir können es beeinflussen. Wir können das Altern per se nicht wirklich beeinflussen. Aber wir können Strukturen schaffen. Wir können unsere finanziellen Verhältnisse anpassen. An das, was wir brauchen. Wir können unsere Wohnversorgung kleiner machen. Wir brauchen nicht mehr viele Räume, außer vielleicht für die Pflegerin. Wir können unser Sozialleben anpassen. Wir können eine Arbeit suchen. Wir können Ehrenämter anstreben. Oder irgendwas dazwischen. Dazu habe ich auch die letzte Geschichte, die ich vorlesen darf. Und sie ist deswegen für mich auch lustig, weil sie so überraschend war für mich, wie ich sie erleben durfte. Auf dem Flug von Frankfurt nach Wien saß ich neben einem netten älteren Herrn, mit dem ich bald ins Gespräch kam. Wir unterhielten uns über vielerlei und ich war so forsch, ihn zu fragen, was er arbeite. Er sagte, er sei in der Kunst tätig. Aha, in welcher begehrte ich zu wissen?

Richard:
Was er mit Kunstnett beantwortete. Oh, dachte ich, vermutlich Kunsthandel im Internet. Wissbegierig, wie ich war, fragte ich nach, ob dem so sei. Nein, antwortete er lachend, er sei schon in Pension. Kunstnett? Was möge das sein? Fragte ich mich und dann ihn. Er sei 25 Jahre lang kaufmännischer Leiter des großen katholischen Stiftes gewesen. Verantwortlich für Museen, Klöster, Weinproduktion, Wald sowie Jagden. Unternehmerisch tätig in Milliardenhöhe. Und hätte der Herr mit Gott und der Welt, was durchaus wörtlich zu nehmen ist, zu tun gehabt. Außerdem säße er in Aufsichtsräten. Jetzt wäre er hauptsächlich in Sachen Kunstnett beschäftigt. Aha. Weil viele Menschen wüssten, dass er in Pension sei, der Herr massenweise Zeit haben müsste, Zeit sich um deren Belange zu kümmern. Daher fragten sie ihn, Kunstmannett in der und der Angelegenheit helfen. Oder Kunstmannett das oder das erledigen. Und daher füllte er seinen Tag damit seine Kontakte und sein Wissen anderen Menschen zur Verfügung zu stellen.

Richard:
Manchmal nehme er Geld dafür, meist jedoch ist er mit Gottes Lohn zufrieden. Hat wahrscheinlich mit seiner früheren Tätigkeit zu tun. Mit seinem früheren Chef wahrscheinlich. So langsam komme ich zum Ende. Man hat mir ja gesagt, ich darf über alles reden, aber nicht länger als 20 Minuten. Ich versuche mich daran zu halten. Wie Sie merken, ist für mich das Arbeiten oder das Tätigsein in späteren Jahren von hoher Wichtigkeit. Drum schreibe ich auch gerade das nächste Buch. Das heißt, es ist schon geschrieben. Es kommt wahrscheinlich im März. So mit dem Untertitel Willkommen im Unruhestand. Da geht es um das Arbeiten oder das Tätigsein im Alter. Etwas, was nicht nur sehr viel Recherche benötigt, sondern auch die Mitarbeit von Unternehmen. Ich gehe in Unternehmen heute und bespreche mit dem Management und zeige ihnen den Nutzen oder Zusatznutzen, den sie hätten, wenn sie Mitarbeiter, ältere Mitarbeiter weiter beschäftigen. Das hat nichts mit dem normalen Pensionsalter zu tun, sondern heute beklagen sie, sie kriegen keine Mitarbeiter.

Richard:
Da haben sie sie. Heute beklagen sich Manager, sie bekommen zu wenig Wissen. Sie schicken die Mitarbeiter dann an die Universität Wissensstudien zu machen. Das Wissen ist da. Die Erfahrung ist da. Das Netzwerk ist da. Und wir schicken es einfach weg. Wussten Sie, dass es kein Gesetz gibt, dass man mit 65 in Pension gehen muss? Außer bei Beamten. Die können es aber auch nochmal verschieben. Aber ansonsten ist das nur Usus. Weil in den 70er Jahren geprägt wurde, die Alten nehmen den Jungen die Arbeit weg. Was vollkommen falsch ist. Längst widerlegt, größter Quatsch. Wenn ich heute hinaus gehe und daraus einen Besen in die Hand nehme und den Gehsteig kehre, nehme ich niemandem die Arbeit weg. Aber es beschäftigt mich möglicherweise positiv. Also, ich kann in Firmen das Ganze darlegen und einmal zum Nachdenken anregen und ich kann die Mitarbeiter befragen und kann sagen, was hättest du gerne?

Richard:
Heute bist du 55, mit 65 gehst du in Pension. Würdest du gerne weiterarbeiten? Die meisten Menschen würden das nie ihrem Management gegenüber artikulieren. Mir gegenüber aber schon. Auch vor allem dann, wenn sie vielleicht einen anderen Job haben wollen. Wenn er sagt, ich würde schon gerne, aber als Lehrender, als Mentor, als, ich weiß nicht was, in einer anderen Abteilung, was so viele machen würden wollen. Ich kann das deckungsgleich bringen und kann die Botschaft weiter verbreiten zum Wohle der Mitarbeiter, zum Wohle des Managements und zum Wohle von uns allen. Weniger Pflegegeld notwendig, zufriedenere Menschen, sie geben mehr Geld aus, weil sie dazu verdienen können. Wir haben lauter Vorteile rundherum, nur bis dato ist die Botschaft noch zu wenig angekommen. Also ein breites Feld für mich. Wenn Sie wissen, wer hier mit mir reden will, ich bin käuflich. Apropos käuflich, hier haben wir ein paar Bücher mitgebracht, sollten Sie wirklich sowas haben wollen, Sie kriegen es aber sonst bei Amazon und Sie bekommen es bei Mosa und Sie kriegen es überall.

Richard:
In diesem Sinne kann ich nur sagen, lasst uns beschwingt altern, weil wir müssen fast nichts mehr, aber wir dürfen fast alles. Danke vielmals.

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