
Die sanfte Urgewalt des Österreichischen Gewerkschaftsbundes – Josef Muchitsch
Für mein Buch über die Arbeitswelt 50+ durfte ich eine Reihe von besonderen Persönlichkeiten interviewen, aber auch Menschen, die diese Welt besonders gut kennen, da sie selber davon betroffen sind.
Heute zu Gast ist:
Josef Muchitsch – Vorsitzender der Gewerkschaft Bau/Holz und Nationalratsabgeordneter.
Manche der Antworten auf die Interviewfragen an Josef „Beppo“ Muchitsch waren vorhersehbar, aber nicht alle.
Bei einigen Fragen rund um die „Arbeit der Älteren“ kamen von ihm Überraschende. Zum Beispiel wenn es um die Abgaben geht, die Menschen in der Pension für ihre Arbeit abzuliefern hätten – aber hören Sie bitte selber.
Transkript
Josef Muchitsch:
Es
Josef Muchitsch:
Soll jeder arbeiten dürfen in der Pension, nur unter verschiedenen Ansätzen. Der, was mehr geleistet hat in seinem bisherigen Berufsleben, soll dann nicht noch weiter belastet werden oder beigezogen werden zur Finanzierung, weil er eh schon seinen Beitrag geleistet hat. Der, was weniger geleistet hat und dann auch weiterarbeiten will, der muss noch etwas zur Finanzierung unseres Systems beitragen.
Josef Muchitsch:
Für
Richard:
Mein Buch über die Arbeitswelt 50 Plus durfte ich eine Reihe von besonderen Persönlichkeiten interviewen. Herzlich willkommen, Herr Muchitsch. Danke vielmals, dass Sie sich Zeit für das Interview genommen
Josef Muchitsch:
Haben. Gerne.
Richard:
Würden Sie uns ganz kurz erläutern oder erzählen, in welcher Funktion sind Sie tätig?
Josef Muchitsch:
Ich bin Vorsitzender der Gewerkschaft Bauholz. Das heißt, wir vertreten 245.000 Beschäftigte in überwiegend schweren Berufsbereichen. Das heißt, auch mit Schwerarbeit verbunden, mit Schichtarbeit verbunden, mit Nachtschichtschwerarbeit verbunden und übe auch die Funktion des Vorsitzenden des Parlamentarischen Ausschusses für Arbeit und Soziales aus. Das heißt, das ist der Ausschuss, der mit diesen Agentenpensionen politisch beauftragt ist in meiner Funktion als Nationalratsabgeordneter.
Richard:
Sie haben ja eine bewegte Geschichte, die man überall nachlesen kann. Können Sie uns vielleicht das Highlight oder ein Highlight Ihrer beruflichen Laufbahn nennen?
Josef Muchitsch:
Ja, die zehn Jahre am Bau waren meine kreativste Zeit, handwerklich etwas zu schaffen, etwas zu errichten, wo Menschen dann davon profitieren. Ja, das Highlight ist, immer rückblicken zu dürfen, selbst zu wissen, was es bedeutet, Schwerarbeit zu leisten, auch in jungen Jahren unter den schwierigsten Witterungsbedingungen bei Hitze, Kälte, Schnee und Wind.
Richard:
Erwarten Sie in der nächsten Zeit eine maßgebliche Änderung der Beschäftigtenzahl?
Josef Muchitsch:
Wir schreiben 2022 Rekordbeschäftigung mit über vier Millionen Beschäftigten in Österreich. Das wird jetzt rückgängig sein, weil die Konjunktur stagniert. Das wird stärker rückläufig werden in der Bauwirtschaft, weil wir hier eine Rezession erleben werden, wenn sich die Situation nicht verbessert, betreffend Auftragsbestände für die Betriebe. Ich glaube, es wird sich so im Durchschnitt um die vier Millionen stabilisieren, auch in der nächsten Zeit.
Richard:
Gibt es… Ihrer Erfahrung nach einen Mitarbeiterinnenmangel?
Josef Muchitsch:
In gewissen Branchen, zu gewissen Zeiten, aber nicht das ganze Jahr über. Das heißt, wir nehmen schon wahr, dass 2022 in diesem Rekordhoch an Konjunkturzuwachs, an Wirtschaftswachstum, eine Nachfrage an Beschäftigten am Arbeitsmarkt da ist. Der Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerin sind am längeren Ast gesessen sozusagen. Sie haben sich dementsprechend auch… …aussuchen können, jetzt rede ich von den Fachkräften. Und ja, also der Fachkräftemangel ist halt ein Fachkräftemangel, muss man unterscheiden zwischen echten Fachkräftemangel, das sind jene, die eine Ausbildung brauchen, die in technischen Berufen sind, und den hausgemachten Fachkräftemangel. Wenn die Gastronomie und der Tourismus schreit, sie brauchen Fachkräfte, dann meinen sie billige Arbeitskräfte aus dem Ausland über Drittstaaten-Kontingente für den Tellerwäscher in Tirol. Oder für den Schnitzelpanierer in Salzburg. Auf befristete Zeit, und dann werden sie wieder nach Hause geschickt.
Richard:
Ja, das kann nicht in Ihrem Interesse sein, das verstehe ich. Was, glauben Sie, ist die Ursache des Mitarbeiter- oder des Facharbeitermangels?
Josef Muchitsch:
Die Krisen haben dazu beigetragen, wo zuerst die Rekordarbeitslosigkeit da war. Wir erinnern uns mit April, Mai 2020 mit über 550.000 Arbeitslosen, wo die Wirtschaft Mitarbeiter freigesetzt hat, beim AMS abgestellt hat. Was ich auch nicht für in Ordnung empfunden habe. Und durch Covid und deren Maßnahmen natürlich die Mitarbeiter gezwungen waren, in Kurzarbeit zu gehen, auch in Homeoffice zu gehen. Und dort hat sich das beschleunigt. Dieses flexible, freie Arbeiten auch von zu Hause aus, beziehungsweise auch der Wunsch nach weniger Zeit am Arbeitsplatz. Und dort sind in Wirklichkeit dann wieder Mitarbeiter, mit dem Aufschwung Vier-Tage-Woche entstanden, kürzere Tagesarbeitszeiten bis hin auch zu Arbeitszeitverkürzungen in den Betrieben bei vollem Lohn- und Gehaltsausgleich.
Richard:
Wir kommen dann noch auf die Vier-Tage-Woche zu sprechen. Was halten Sie vom Senioritätsprinzip?
Josef Muchitsch:
Ich glaube, das ist ein Prinzip, das uns in den letzten Jahrzehnten durchaus gut getan hat. Wir leben in einer Versicherungsgemeinschaft. Das heißt, wo Jung und Alt dafür sorgen, dass es im System auch eine Versorgung im höheren Alter gibt. Und das hat sich sicherlich bewährt.
Richard:
Meinen Sie, dass Beschäftigte im Alter von 50 plus manchmal relativ zu teuer für Unternehmen werden?
Josef Muchitsch:
Auch wieder nur in einzelnen Branchen. Es gibt Kollektivverträge. Da ist unabhängig vom Arbeitsplatz. Alter und der Dauer in diesem Job. Dort gibt es den Facharbeiterlohn für den 18-Jährigen nach der Auslehre in der gleichen Höhe, wie Männer das mit 58 auch noch ausüben. Aber es gibt auch Kollektivverträge durch Biennalsysteme, wo dann natürlich mit Berufserfahrung und Dauer in diesem Arbeitsleben, in diesem Job, das Einkommen dementsprechend ansteigt.
Richard:
Aber kann es dann nicht sein, dass Menschen zwischen 30 und 40, die ja in der Rush-Auhr des Lebens sind, eigentlich mehr verdienen müssten im Verhältnis zu dem 50-55-Jährigen, der vielleicht sich schon etwas zurückgestuft hat und deutlich weniger leisten kann oder will?
Josef Muchitsch:
Also wir sehen schon eines. Die freiwilligen Überzahlungen, das heißt, was sich der Beschäftigte mit dem Dienstgeber ausmacht, das ist das Spiel der freien Kräfte über den Kollektivvertrag, über den Kollektivvertragstundenlohn hinaus. Und hier gibt es natürlich Schwankungen. Bin ich in einer Phase, wo ich den Betrieb ganz besonders, besonders wichtig bin mit meiner Arbeitsleistung, werde ich eine höhere Überzahlung aushandeln? Bin ich in der Phase, wo ich nicht mehr jene Leistung bringe wie vielleicht zu früheren Jahren, dann wird sich dort auch mit Abänderungsverträgen dementsprechend auch die Überzahlung ändern.
Richard:
Was halten Sie von dem System, das in Skandinavien auch schon praktiziert wird, dass Menschen im höheren Alter oft in die zweite oder dritte Reihe zurücktreten? Sagen, ich habe weniger Verantwortung, ich will nicht mehr so viel Verantwortung haben, allerdings bin ich auch bereit, dann für einen Teil des Lohnes zu verzichten.
Josef Muchitsch:
Wenn das auf freiwilliger Ebene passiert, und das wird es auch in Österreich in wenigen Fällen geben, weil der Österreicher, die Österreicherinnen sind anders gestrickt, wir sind eine sehr leistungsorientierte Gesellschaft, in der wir groß geworden sind, wo das Zurückgehen oder Zurückstecken eher schwierig ist.
Richard:
Jetzt haben wir mal ein paar Fragen, ganz speziell betrefft Beschäftigter 50 plus. Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach in den Betrieben Mitarbeiter, die älter als 50 sind?
Josef Muchitsch:
Sehr wichtig. Je höher die Qualifikation, desto wichtiger sind sie für den Betrieb. Und da muss man unterscheiden, was sind das für Tätigkeiten. Wenn es der klassische Produktionsmitarbeiter ist, wo sehr viel an körperlicher Arbeit notwendig ist, aber er im Arbeitsprozess jeden Tag die gleiche Stückzahl über das Band produzieren muss, und dort es z.B. ist, dass die Mitarbeiter, die in der Arbeit sind, wenn ein Leistungsrückfall kommt, die sind dann jene Opfer, die vom Arbeitsmarkt aussortiert werden und beim AMS landen. Und das Gleiche gilt auch bei Frauen. Wir dürfen nicht vergessen, wir haben 40 Prozent aller Frauen schaffen es nicht, von ihrem Job in ihre Alterspension derzeit noch 60 zu kommen. Das heißt, hier werden ältere Mitarbeiter von der Wirtschaft ausgesondert und beim AMS abgestellt.
Richard:
Darin sehen Sie die besonderen Potenziale der Eltern. Was können die besser als Jüngere?
Josef Muchitsch:
In ihrer Erfahrung, in ihrer Verlässlichkeit, in ihrer Loyalität zum Arbeitgeber. Die neue junge Generation hat ja andere Vorstellungen. Mehr Freizeit, mehr Work-Life-Balance. Wir kommen
Richard:
Dann noch zu New Work. Das heißt, es gibt hier ganz spezielle Potenziale, die zu aller Nutzen verwendet werden sollen. Natürlich. Natürlich, sowohl für die Beschäftigten als auch für die Firmen. Was tun die Firmen ihrer Erfahrung nach, um diese Älteren besonders zu unterstützen?
Josef Muchitsch:
Diejenigen, die wirklich gebraucht werden aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Fachkenntnisse, die werden natürlich in diesen Firmen ganz besonders umworben. Diejenigen, wie gesagt, die nicht mehr jene Leistungsträger sind, die sich die Firmen erwarten, die werden halt leider, leider. Das sieht man auch im internationalen Vergleich im Bereich der Arbeitslosenzahlen leider beim AMS abgestellt.
Richard:
Haben ältere Mitarbeiterinnen besondere Bedürfnisse und wenn ja, welche?
Josef Muchitsch:
Das Bedürfnis ist, bestmöglich und gesund in die Pension zu kommen, um danach auch noch mit der Familie, mit den Enkeln Freizeit verbringen zu können. Leider zeigt uns aber auch die Entwicklung, dass die Menschen nicht gesünder in Pension gehen als wie zu Jahrzehnten davor, weil sich die Arbeitswelt dementsprechend auch betreffend Arbeitsdruck entwickelt hat. Es ist alles schneller geworden. Es sind noch schnellere Maschinen und Fertigungen. Digitalisierung, Automatisierung führt dazu bei, dass nicht immer alles leichter wird am Arbeitsplatz, sondern auch vieles schneller wird.
Richard:
Da können wir gleich in die Sicht der Betroffenen wechseln. Wenn wir sagen, was meinen Sie, was wäre aus Sicht der Arbeitsplätze, wenn wir sagen, was wäre aus Sicht der Arbeitnehmerinnen 50 plus besonders wichtige Faktoren, damit sie ein zufriedenes und effizientes Mitarbeiten in Unternehmen haben?
Josef Muchitsch:
Ein Arbeitsumfeld, das nicht krank macht, eine Wertschätzung der Arbeit, die sie leisten, was leider zu wenig passiert und eine gute Kollegialität in der Mannschaft.
Richard:
Also das Sozialleben dort in der Firma. Das
Josef Muchitsch:
Wohlfühlen, ja. Tut
Richard:
Die Unternehmen ihrer Erfahrung? Gibt es genug, um Arbeitnehmerinnen 50 plus entsprechend einzusetzen und zu fördern?
Josef Muchitsch:
In den Branchen unterschiedlich. Also was wir sehen, zum Beispiel in der Gastronomie, man trifft nicht viele Arbeitnehmer über 50 in der Gastronomie. Warum nicht? Warum ist das in Italien? Warum sind in Italien gerade Arbeitnehmer über 50 wesentlich mehr in der Gastronomie eingesetzt als in Österreich? Sehr
Richard:
Interessant. Warum?
Josef Muchitsch:
Warum? Warum? Weil hier, an diesem Beispiel festgemacht, es nicht die Rahmenbedingungen gibt, um zu sagen, ich will bis zum Schluss im Service arbeiten, um dann in Pension zu gehen.
Richard:
Dann gehen wir gleich zum Schluss quasi des Arbeitslebens, 60-65 bei uns, also das Regelpensionsalter. Wie wichtig sind die Beschäftigten entweder kurz vor der Pension oder vielleicht auch noch danach für Unternehmen und Organisationen? Ja,
Josef Muchitsch:
Dort, wo sie gebraucht werden, wichtig. Das sehen wir auch in den Bereichen, wo der Betrieb ja selbst gestalten kann. Beispiel Altersteilzeitvereinbarung. Es kommt keine Altersteilzeitvereinbarung zustande, wenn nicht beide Seiten das vereinbaren. Aber
Richard:
Altersteilzeit heißt ja meistens, oder sehr oft, dass die Leute es geblockt nehmen. Die Idee des Einschleifens in die Pension wird ja weniger wahrgenommen als Hurra, ich bin ein halbes Jahr länger in Pension. Das ist bei uns irgendwie normal. Das ist auch nicht so wirklich eingedrungen. Aber beschäftigen Ihres Wissens nach Organisationen Menschen im Ruhestand?
Josef Muchitsch:
Die gibt es. Wir haben ja auch jene Fälle, die sagen, ich arbeite über meinen Stichtag der Alterspension hinaus länger, um mir noch einen Bonus abzuholen und bei meiner Alterspension noch etwas draufzulegen. Betreffend diese 4,2 Prozent. Bonus pro Jahr, wo ich über diesen Stichtag hinaus länger bleibe, bis zu drei Jahren. Das heißt, Männer wie Frauen, die es gesundheitlich schaffen, die es wollen, wo der Betrieb sagt, bitte bleib, können ja drei Jahre über ihren Pensionsstichtag hinaus jetzt schon länger arbeiten.
Richard:
Bei meinen vielen Interviews mit älteren Menschen, auch in Pension, habe ich festgestellt, dass nach einer gewissen Zeit, nach sechs oder neun Monaten oder vielleicht zwölf Monaten, der Wunsch wieder zu arbeiten in irgendeiner Form, massiv steigt. Es fällt nachher dann ab. Aber zuerst einmal wollen sehr viele, wenn die Reisen gemacht sind, wenn das Haus hergerichtet ist, wenn, ich weiß nicht, der Keller geräumt ist, dann falsch fielen die Decke auf den Kopf. Gibt es Ihrer Meinung nach Hindernisse, dass Ältere dann wieder oder weiter arbeiten? Nach einer gewissen Zeit vielleicht?
Josef Muchitsch:
Es gibt kein Hindernis, weil jede Pensionart kann zumindest bis zur Geringfügigkeitsgrenze, das sind die 500 Euro 85. Ich
Richard:
Komme auch schon vor der Regelpension.
Josef Muchitsch:
Das kann man auch jetzt schon machen, richtig. Und nach der Regelpension, nach dem Regelpensionsalter kann jeder, jederzeit wieder ein Dienstverhältnis antreten. Die Frage ist, unter welchen Bedingungen. Aber es ist ja nicht ausgeschlossen, es ist ja nicht
Richard:
Verboten. Nein, es ist es nicht. Aber die Antwort, die ich bekomme, sehr oft, ich bin ja nicht deppert, dass ich nur für die Finanzarbeiten gehe. Vielleicht eine Frage. Wenn jemand, sagen wir, 2000 Euro hat, ist schon ganz gut. Eine Pension. Eine Pension und dann 500 Euro dazu verdient, geringfügig. Wie hoch, glauben Sie, ist ungefähr die Abgabenlast?
Josef Muchitsch:
Bei den 500 gibt es keine Abgabenlast, außer die Unfallversicherung.
Richard:
Das muss sich ein bisschen verändern. Es werden die beiden Einkommen zusammengezählt. Er zahlt Sozialversicherung, Arbeitgeberbeitrag, Arbeitnehmerbeitrag etc. Das heißt, rund 36 Prozent von den 500 Euro gehen weg. Das heißt, wenn der dann sagt, ich zahle 250 Euro nach für das ganze Jahr, noch viel schlimmer ist es, wenn der 1.000 Euro dazu verdient, im Regelpension braucht es vielleicht, wegen der Altersarmut, und dann zahlt er die Hälfte von dem an Abgaben. Glauben Sie nicht, dass das ein Hindernis ist?
Josef Muchitsch:
Ist ein Hindernis, würde aber das System der Versicherungsgemeinschaft durchbrechen. Warum? Warum? Weil man muss ja im Pensionssystem weiter unten ansetzen. Und wenn von unten hinauf bis zum Pensionsantrittsalter, bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter einmal diese Baustellen der Vergangenheit zusammengeräumt sind, wo es Unfairness gibt, wo es Menschen gibt mit Abschlägen, nur weil sie mit 15 Jahren zu begonnen haben und Menschen, die mit 30 Jahren zum Arbeiten beginnen, keine Abschläge haben, weil sie mit 65 gehen. Also ich muss von unten hinauf einmal das System korrigieren. Ich muss es gerechter machen. Wenn das korrigiert ist, dann… …eines draufzusetzen und zu sagen, so, jetzt hast du 45 Jahre Beiträge geleistet. Jetzt willst du dir aber noch etwas dazu verdienen. Oder
Richard:
Musst möglicherweise. Oder musst. Das ist Armut.
Josef Muchitsch:
Bin ich gesprächsbereit. Aber wenn jemand mit 30 beginnt, mit 65 geht, der nur 35 Jahre Beiträge bezahlt hat und dann später einen Vorteil hat, weil er weiterarbeitet, gegenüber einem anderen, der mit 15 begonnen hat, das geht nicht.
Richard:
Nein, das verstehe ich auch, dass es Ungleichheiten gibt. Leider in jedem System sind gewachsene Dinge. Aber wenn man heute einen Freibetrag zum Beispiel macht, Geringfügigkeit, darfst du dazu verdienen, abgabenfrei, so glaube ich, haben wir den mehrfachen Vorteil. Wir haben den Vorteil, den Menschen, und das weiß man, wenn sie im Alter beschäftigt sind, tätig sind, bleiben sie gesünder. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Also der Vorteil, wenn sie eine Tätigkeit haben, geringfügig zum Beispiel, dann geht es ihnen besser, damit geht es dem Staat besser, geht es den Unternehmen, aber geht es auch den Menschen besser. Und wenn man aber sagt, du hast sehr viele Hindernisse, ich verstehe, dass es Ungleichheiten gibt, nur muss man die abtauschen gegeneinander, kann man nicht sagen. Wir schauen, dass es dieser Gruppe besser geht, unter bestimmten Voraussetzungen zum Beispiel. Wenn man sagt, wenn der seine Beitragsmonate hat, dann darf er auch abschlagsfrei dazu verdienen, als Beispiel.
Josef Muchitsch:
Das wäre ein Beispiel, wenn jeder Mensch in Österreich 45 Beitragsjahre zusammenbringt, dann hätten wir überhaupt keine Debatte betreffend, Leistbarkeit eines Pensionssystems, wobei bei den ASVG-Versicherten wir die höchste Deckungsquote haben, mit Eigenbeiträgen, aber zu sagen, der, was mit 60 gehen muss, der 9% Abschläge bekommt und der andere, der noch 35 Jahre arbeitet, ohne Abschläge und dann hergeht und sagt, ich will aber jetzt weiterarbeiten, aber in die Sozialversicherung will ich keine Beiträge mehr einzahlen, das ist nicht der Gedanke einer Versicherung.
Richard:
Nein, aber es ist leicht lösbar. Wenn man einfach sagt, du hast deine Monate, du hast 45 Jahre und dann darfst du geringfügig abschlagsfrei zum Beispiel dazu verdienen. Das wäre ganz leicht möglich.
Josef Muchitsch:
Das ist ein neuer Ansatz.
Richard:
Bitte sehr. Was halten Sie davon, dass man den Menschen nach einer gewissen Zeit ein Angebot macht? Weil sehr viele haben das Paradies Pension, das nicht immer ein Paradies ist und gehen dann und nach sechs Monaten, neun Monaten fällt ihnen die Decke am Kopf. Was halten Sie davon, wenn man den Leuten dann wieder sagt, magst du nicht vielleicht einen Tag in der Woche, zwei Tage in der Woche helfen kommen?
Josef Muchitsch:
Ja, es passiert im Einzelfall, teilweise halt über verschiedene Wege. Ja, alles was dazu führt, dass die Finanzierung des Sozialversicherungssystems nicht schwächt, ist es ein Ansatz.
Richard:
Dann wechseln wir noch einmal in die Position der PensionistInnen. Glauben Sie, dass in Pension Befindliche überhaupt weiterarbeiten wollen? Ich
Josef Muchitsch:
Glaube schon, dass es vereinzelt Leute gibt, die sogar in eine komplett andere Branche stundenlos, stundenweise etwas machen wollen, weil ihnen zu Hause die Decke auf den Kopf fällt.
Richard:
Es gibt Untersuchungen, wissenschaftliche, Seniors for Success heißt es zum Beispiel, und dort ist man der Meinung, dass an die 35 Prozent der in Pension Befindlichen gerne wieder weiterarbeiten wollen. Vielleicht nicht gleich, vielleicht ein bisschen später. Selbst wenn es weniger sind, sind es ja immer noch relativ viele. Über die Hindernisse haben wir auch vorher gesprochen, vielleicht auch eben das Gehalt ein Handicap. Glauben Sie, ist es aus der Sicht der Unternehmen interessant, Leute aus der Pension wiederzuholen? Und was wäre für Sie interessant? Wir hören es heute, Lehrer, ähnliche Situationen.
Josef Muchitsch:
Ja, wenn ich den Bedarf habe an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ist es natürlich interessant. Aber es darf nur eines nicht passieren, dass es zu einem Ausspielen kommt, junge Generation, die genauso Arbeit braucht und arbeiten will, gegenüber älteren Generationen. Und diesen Spagat muss man mal machen. Und das muss man mal versuchen, politisch zu gestalten. Das ist sicherlich ein Problem. Und das zweite Problem ist, welche Jobs wären das im höheren Alter, die dann noch angenommen werden können? Ich
Richard:
Habe ein wunderbares Beispiel von einem Fliesenleger. Fliesenleger sagt man, der will nach 45 Jahren nicht mehr auf den Knien herumrutschen. Wahrscheinlich ähnlich wie am Bau. Fliesenleger bekommt ein Angebot von einem Baumarkt. Komm einen Tag in der Woche und erkläre denen, die Fliesen kaufen wollen, auf Augenhöhe, ob es kreuzweise verlegt ist. Geht der Länge nach und wo du anfängst, etc. Ich kenne solche Fälle, die sind umschwärmend bis zum Gehtnichtmehr und allen geht es gut dabei.
Josef Muchitsch:
Da spricht ja nichts dagegen. Aber nett, dass er günstiger ist als wie ein anderer Mitbewerber am Arbeitsmarkt. Klar, also
Richard:
Man darf sich nicht
Josef Muchitsch:
Gegeneinander ausspielen oder hinunterdampen und sagen, der ehemalige Fliesenleger, jetzt einmal in der Woche im Fliesenmarkt, kommt man viel billiger als wie eine neue Arbeitskraft, wie in jüngeren Jahren. Das darf nicht passieren.
Richard:
Da sind wir gleich bei jüngeren Jahren. Also wir kommen ins letzte Kapitel. Der Dementsprung zum New Work. Wir haben also den Arbeitsmarkt im Umbruch, ganz stark momentan. Wandel von Sinn und Wert fragen, flexible Arbeitsgestaltung und so weiter. Das ist ja fast eine, soll ich sagen, komische Frage, wenn ich Sie frage, was halten Sie von einer 4-Tage-Arbeitszeit? 4-Tage-Arbeitswoche.
Josef Muchitsch:
Ist nicht mehr aufzuhalten. Wird jetzt schon gemacht. Da brauchen wir… Wenn wir uns als Gewerkschaft und als Politik gar nicht anstrengen, das passiert.
Richard:
Das
Josef Muchitsch:
Passiert einfach, ja.
Richard:
Wie ist das mit dem Lohnausgleich?
Josef Muchitsch:
Wir haben in den verschiedensten Branchen jetzt die Modelle, das heißt Reduzierung auf 32-Stunden-Woche, auf 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich, beziehungsweise Gehaltsausgleich. Das ist eher in diesem Dienstleistungsbereich, IT und so weiter. In Wirklichkeit bringen diese Beschäftigten in die 30… 30 Stunden die gleiche Leistung als wie bei 38 Stunden, nur viel konzentrierter, effizienter, aber die 4-Tage-Woche zieht halt, die zieht bei den Menschen. Aber
Richard:
Am Fließband ginge das jetzt zum Beispiel nicht, weil da kann man die Leistung nicht steigern. Außer über mehr Stunden, wenn man sagt 10 Stunden Arbeit und dann aufteilen, das wäre ja kein voller Lohnausgleich.
Josef Muchitsch:
Wir haben auch ein Pilotprojekt 4-Tage-Woche im Feuer gehabt bei einem Bauunternehmen mit 1000 Beschäftigten. Die Firma Leithäusl in Niederösterreich. Das heißt, die haben eine 4-Tage-Woche ein Jahr probiert auf Baustellen.
Richard:
Interessant.
Josef Muchitsch:
Hat funktioniert und die Folge ist, diese Vereinbarung war für ein Jahr abgeschlossen über Betriebsvereinbarung. Diese Vereinbarung wurde jetzt ein weiteres Jahr verlängert.
Richard:
Na gut, im Bau hat es ja schon diesen jeden zweiten Freitag frei, kurze Woche, lange Woche immer schon gegeben.
Josef Muchitsch:
Ja, aber der Reiz ist ja gerade in Branchen, wo es Wochenbändler gibt, der auswärts schlaft, der sagt, ich will Donnerstag nach Hause, aber jeden Donnerstag. Und die Herausforderung ist halt dort, wo Firmen übergreifend arbeiten, wie zum Beispiel auf einer Baustelle, weil der Elektriker und der Installateur kommen trotzdem Freitag auf die Baustelle und braucht den Kran und braucht den Bauleiter, diese Modelle zu finden, zu sagen, 4 Tage, aber in verschiedenen Abständen, Montag, Donnerstag und ein Teil arbeitet Dienstag bis Freitag, damit sich der Kran auch am Freitag dreht.
Richard:
Was halten Sie ganz allgemein von der immer lauter werdenden Forderung nach Arbeitskultur auf Augenhöhe, Empathie, Wohlbefinden, Respekt? Das sind ja heute Forderungen, die viele schon immer erfüllt haben, aber andere scheinbar noch nicht erfüllt haben.
Josef Muchitsch:
Ich glaube grundsätzlich, wann macht man eine gute Arbeit in seinem Job? Erstens, wenn der Job Freude macht und zweitens, wenn es die Anerkennung gibt. Und die Anerkennung hat nicht immer was mit Einkommen zu tun. Da geht es auch um Wertschätzung. Da geht es um Dankbarkeit von Kunden. Also wenn ich zum Beispiel arbeite in einem Hotel bei der Rezeption und ich werde von in der Früh bis am Abend nur angesudert, weil irgendetwas nicht passt im Hotelzimmer, dann irgendwann sage ich, ich wechsle die Branche. Aber einmal Danke zu sagen, wenn jemand hilfsbereit ist oder auch mein Hotelzimmer reinigt oder auch bei der Rezeption sich bedankt, bei der Abreise, diese kleinen wertschätzenden Worte, das hat nicht immer was mit Euro zu tun.
Richard:
Ich finde es sehr lustig, dass ein Gewerkschafter sagt, es hat nicht mit Geld zu tun. Aber ich glaube, in dieser Wirklichkeit sind wir jetzt angekommen, dass diese Soft-Dinger eine ganz wichtige Rolle spielen. Was muss heute ein Arbeitgeber einem oder einer Arbeitssuchenden anbieten?
Josef Muchitsch:
Die Menschen, die jetzt in den Arbeitsprozess hineindrängen, wollen mehr Freizeit haben. Sie wollen ein gutes Arbeitsumfeld vorfinden. Sie wollen… Auch eine gewisse Flexibilität haben, um Freizeit zusätzlich gestalten zu können. Und sie wollen natürlich auch ein Einkommen haben, mit dem sie ihre Rechnungen bezahlen können.
Richard:
Jetzt erzeugt das ja ziemliche Spannungen in Zukunft zwischen den 50 plus und ich sage Generation TikTok, also die, die jetzt hineindrängen, wie plötzlich Forderungen aufstellen, die dem 50-Jährigen niemals erfüllt worden sind oder werden. Wie gehen wir damit um? Das erzeugt ja dann irgendwann… Das ist ja eine ziemliche Neiddiskussion.
Josef Muchitsch:
Die neue Generation wird die ältere Generation ablösen. Aber
Richard:
Erst in 10, 15 Jahren.
Josef Muchitsch:
Ja, aber das passiert ja auch übergreifend. Und also die Jugend denkt halt ganz anders, als wie die Generation 50 plus es früher gemacht
Richard:
Hat. Aber wie geht der jetzt um? Der 50-Jährige oder der 55-Jährige, der sagt, ich mache den selben Job wie der, habe viel mehr Erfahrung und kriege 1000 Euro weniger und der arbeitet dafür einen Tag weniger. Wie gehe ich damit um? Als Arbeitgeber oder als Interessensvertreter?
Josef Muchitsch:
Es ist nach wie vor, Gott sei Dank lehme ich in ein Land, wo wir eine 98-prozentige Kollektivvertragsabdeckung haben. Das heißt, das gilt für jeden das Gleiche. Alles, was darüber vereinbart wird, ist auf betrieblicher Ebene möglich oder in Form von Einzelvereinbarungen. Und da bin ich wieder bei dem Punkt, wenn der Arbeitgeber sagt, diesen mit 50 plus, den brauche ich, den möchte ich binden, dann wird ihn auch dementsprechend ein Angebot… …machen, dass er bleibt.
Richard:
Er wird nur die, die er nicht so ganz dringend braucht, dann vielleicht eher nicht halten.
Josef Muchitsch:
Das ist richtig.
Richard:
Eine sehr theoretische Frage. Es gibt zwei Bewerberinnen. Sagen wir, sie sind fast gleich qualifiziert. Gleich geht ja nicht. Der oder die eine ist 35 und der andere ist 55. Wen sollte man einstellen?
Josef Muchitsch:
Von dem, wo ich überzeugt bin als Dienstgeber, der meine Erwartungen besser erfüllt.
Richard:
Wunderbar.
Josef Muchitsch:
Ein Beispiel bei mir selbst. Wenn es zu Vorstellungsgesprächen kommt, weil wir in der Gewerkschaft jemanden suchen, im Bereich Organisation, Bildung, dann entscheide ich nach jenen Kriterien, wo ich sage, dieser Person traue ich das zu, dass sie meine Erwartungen erfüllt.
Richard:
Also im Endeffekt eher subjektiv. Das
Josef Muchitsch:
Sind nicht immer die Jüngeren. Das sind nicht immer die Jüngeren. Weil hier für mich persönlich die Berufserfahrung… Berufsleben lesen zu dürfen und nachvollziehen zu können in Form von Vorstellungsgesprächen mit Lebensläufen, mit hinterfragen zu dürfen, für mich das Entscheidende ist bei der Auswahl.
Richard:
Wunderbar. Ich bin am Ende meiner Fragen. Habe ich irgendwas Wichtiges vergessen, was die Arbeitswelt 50 plus betreffen könnte?
Josef Muchitsch:
Nein, ich bin mit einem Ansatz hergefahren, dass man sagt, wenn jeder mal einen gewissen Beitrag zur Finanzierung des Sozialversicherungssystems geleistet hat, Beitragsjahre. Danach zu sagen, du hast alles erfüllt, du sollst jetzt einen Vorteil haben. Aber was ich nicht will, ist, dass manche davon profitieren, ohne vorher den richtigen Beitrag geleistet zu haben.
Richard:
Ich glaube, das ist ein sehr guter Ansatz, ein fairer Ansatz. Aber das bedeutet auf der anderen Seite auch, dass die, die ihre Jahre erfüllt haben, dass man es denen erleichtern könnte, wenn sie wieder weiterarbeiten wollen, freiwillig. Vielleicht sogar müssen, weil bei der Inflation, Armut steht im Raum. Dass die dann nicht zusätzlich davon abgehalten werden. Also wenn man diese Sperre hineinbaut und sagt, wenn du 45 Jahre hast, dann darfst du. Nur
Josef Muchitsch:
Unter verschiedenen Ansätzen. Der, was mehr geleistet hat in seinem bisherigen Berufsleben, soll dann nicht noch weiter belastet werden oder beigezogen werden zur Finanzierung, weil er eh schon seinen Beitrag geleistet hat. Der, was weniger geleistet hat und dann auch weiterarbeiten will, der muss noch etwas zur Finanzierung und zur Systematik. Danke
Richard:
Vielmals. Ich kann dem nichts mehr hinzufügen. Herzlichen Dank.
Josef Muchitsch:
Danke fürs
Richard:
Reinhören in meinem Podcast. Mehr Informationen gibt es auf meiner Webpage richardkaan.com. Bis zum nächsten Mal.