Weiterbildung – der Schlüssel für Ältere um dranzubleiben. - Karl-Heinz Snobe, Geschäftsführer AMS Steiermark

Weiterbildung – der Schlüssel für Ältere um dranzubleiben. – Karl-Heinz Snobe, Geschäftsführer AMS Steiermark

Wenn uns Älteren keine Weiterbildung mehr angeboten wird, müssen wir sie einfordern! Damit wir nicht abgehängt werden. Und damit wir auch später – so wir das mit unserem Arbeitgeber so vereinbaren – vielleicht auch nach der Pensionierung dort weitermachen können, wo wir aufgehört haben. Sei es nach ein paar Monaten, sei es einen Tag in der Woche, oder deren zwei.

Für mein Buch über die Arbeitswelt 50+ durfte ich eine Reihe von besonderen Persönlichkeiten interviewen, aber auch Menschen, die diese Welt besonders gut kennen, da sie selber davon betroffen sind.

Heute zu Gast ist:

Der Geschäftsführer des AMS Steiermark, Karl-Heinz Snobe.

Dauer: 00:25:23

Veröffentlicht am: 04.10.2023

Transkript

Karl-Heinz Snobe:
Was uns beschäftigt bei der Gruppe der 50-plus Personen, das ist sehr stark das Thema der Bereitschaft zur beruflichen Weiterbildung, zur beruflichen Qualifikation. Wir merken, dass es in dieser Altersgruppe natürlich eine stark verringerte Bereitschaft gibt, sich auch beruflich weiterzubilden, auch persönlich mitunter weiterzubilden, weil vielfach in dieser Altersgruppe zwei Aspekte hierzu eine Rolle spielen. Einerseits, dass sie sich lernen, nicht so zutrauen, wie es jüngere Menschen tun. Und auf der anderen Seite, dass sie eben vielfach glauben, das, was für meine berufliche Tätigkeit wichtig ist, dazu brauche ich nicht aktuell etwas dazulernen.

Richard:
Für mein Buch über die Arbeitswelt 50-plus durfte ich eine Reihe von besonderen Persönlichkeiten interviewen. Herr Mag. Nobe, vielen Dank, dass wir dieses Interview führen. Würden Sie uns bitte kurz erläutern, in welcher Organisation Sie arbeiten und in welcher Funktion?

Karl-Heinz Snobe:
Also, wie gesagt, mein Name ist Karl-Heinz Nobe. Ich bin beschäftigt beim Arbeitsmarktservice in der Steiermark. Das Arbeitsmarktservice ist als halböffentliche Bundesorganisation zuständig für alle Fragen rund um den Arbeitsmarkt, um Fragen der Arbeitslosigkeit, der Verhinderung und Vermeidung von Arbeitslosigkeit. Auf der einen Seite und natürlich auf der anderen Seite in Fragen der Unterstützung der Wirtschaft, der Unternehmen, in allererster Linie dafür, dass sie zu ihren notwendigen Arbeitskräften kommen. Ich bin seit jetzt 35 Jahren beim Arbeitsmarktservice beschäftigt und seit 20 Jahren übe ich die Funktion des Geschäftsführers für das Bundesland Steiermark aus.

Richard:
Wenn wir es diese letzten 25 Jahre hernehmen, können Sie uns ein oder das Highlight Ihrer beruflichen Leistung, die Sie in Ihrem Arbeitsmarktservice vermitteln, erläutern?

Karl-Heinz Snobe:
Naja, dadurch, dass ich ein Mensch bin, der da nicht sehr gut darin ist, dass man die Vergangenheit immer wieder im Fokus hat, spielt natürlich die jüngste Vergangenheit eine zentrale Rolle. Das sind einerseits, beginnend mit dem Jahr 2020, die tatsächlich massivsten Verwerfungen durch die Corona-Pandemie, die wir am Arbeitsmarkt gehabt haben, mit beispielsweise im Frühjahr 2020 einer Verdoppelung der Arbeitslosigkeit, dann folgend ab der Mitte 2021 und vor allem im Jahr 2022 eine irrsinnig rasche Rückgang der Arbeitslosigkeit, ein enormes Wirtschaftswachstum, auch aufgrund von Rückstaus, die es durch die Corona-Pandemie gegeben hat. Also ein Wechselbad der Gefühle zwischen massiver Problematik am Arbeitsmarkt bei betroffenen Menschen und ein Dreivierteljahr danach eine enorme Herausforderung bei Unternehmen, Arbeitskräften und Arbeitnehmern. Also es hat sich in enorm kurzer Zeit der Arbeitsmarkt in der Steiermark, in Österreich, aber auch in ganz Europa verändert. Und diese Geschwindigkeit, aber auch diese Ausschläge, das ist mit Sicherheit ein Highlight in meiner langen beruflichen Karriere gewesen.

Richard:
Und ein persönliches Achievement, wie man im Englischen sagen

Karl-Heinz Snobe:
Würde? Naja, jetzt bin ich jemand, der sehr lange in einer Funktion tätig ist und in einer Organisation noch länger tätig ist. Und das in einem Bundesland. Also was wirklich auch… Beachtlich war in den letzten Jahren, das ist die enge Zusammenarbeit in der Steiermark mit vielen Opinion-Leader, mit der Politik, mit Sozialpartnerschaft, aber auch weit darüber hinausgehend. Also was die Krise schon gebracht hat, das ist ein näher Zusammenrücken von Verantwortungsträgern und Trägerinnen. Und das ist schon etwas, was mir sehr viel Spaß gemacht hat.

Richard:
Ein paar Fragen zur allgemeinen Beschäftigungssituation. Sie sind schon kurz darauf eingegangen, erwarten Sie aber in der nächsten Zeit eine maßgebliche Änderung der Beschäftigungssituation? In

Karl-Heinz Snobe:
Der nächsten Zeit, wenn man jetzt das Jahr 23 und vielleicht das erste Halbjahr 24 hernimmt, bei den Beschäftigten wird es ein leichtes Wachstum geben, das angesichts einer praktischen Null-Wirtschaftswachstumsrate im 23er Jahr, Prognostiker sagen 0,3 Prozent plus, was sehr wenig ist, durchaus ein Erfolg ist, wenn die Beschäftigungssituation stabil bleibt. Also es wird die Zahl der unselbstständig Beschäftigten in der Steiermark, aber auch in ganz Österreich, sehr stabil bleiben, sie wird sogar noch zunehmen. Gibt

Richard:
Es Ihrer Meinung nach einen Mitarbeiter- oder Mitarbeiterinnenmangel?

Karl-Heinz Snobe:
Ja, den gibt es. Und was ist

Richard:
Die Ursache dafür?

Karl-Heinz Snobe:
Der ist eklatant. Die Ursache hat in erster Linie damit zu tun, dass wir in einer demografischen Situation sind, die seit wirklich vielen Jahren bekannt ist. Das Arbeitsmarktservice Steiermark gibt jährlich, während Corona haben wir eine Pause gehabt, jährlich einen Fortschreitpunkt. Seit 2014 machen wir deutlich darauf aufmerksam, dass wir jetzt mit den Baby-Boomern, die langsam in Pension gehen, in eine Situation kommen werden, wo der Arbeitskräftemangel und vor allem der Fachkräftemangel unsere größte Herausforderung am Arbeitsmarkt sein wird. Und leider ist es genauso eingetreten und wird weiter bleiben.

Richard:
So als Zuschauer, unter Anführungszeichen, habe ich ein bisschen den Eindruck, als ob man ein bisschen paralysiert. Davor steht vor der Situation, dass das ganz plötzlich käme, dass die Baby-Boomer jetzt nicht mehr da sind.

Karl-Heinz Snobe:
Ja, wie gesagt, es gibt nichts, das stabiler, prognostizierbar und seit vielen Jahren bekannt ist, wie die Demografie und die demografische Entwicklung. Also wir wissen ziemlich genau, wie die Bevölkerungsprognosen, aber auch die erwerbstätigen Prognosen sich entwickeln werden. Alles, was hier durch Zuwanderung, durch Fluchtbewegungen verändert werden kann, legt sich im kleinen Prozentbereich um.

Richard:
Was halten Sie vom Senioritätsprinzip?

Karl-Heinz Snobe:
Also sehr viel natürlich. Darauf ist unser gesamtes Sozialsystem aufgebaut. Darauf ist auch unser Wohlstand aufgebaut, dass das weiterentwickelt und aufgrund der aktuellen und der künftigen bekannten Herausforderungen immer wieder auch anzupassen ist, ist klar. Das passiert mitunter zu zaghaft. Da braucht man, und das ist in der Politik schwer durchzuführen, zu bringen einen Weitblick, der unabhängig von Wahlen gestaltet sein muss.

Richard:
Meinen Sie, dass Beschäftigte über 50 relativ zu teuer werden für Unternehmen?

Karl-Heinz Snobe:
Ja, das spielt eine Rolle, dass wir ein System haben, das auf Biennalsprüngen beziehungsweise auf Lohnsteigerungen durch fortschreitende Tätigkeit in einer Branche oder in der gleichen Firma sogar sich so entwickelt. Das ist genau eines jener Themen. Wo man vor allem auch im Kollektivvertragsbereich darauf achten sollte, noch stärker in der Zukunft achten sollte, dass Jüngere zu Beginn besser verdienen könnten und dafür die Lohnkurve ab einem bestimmten Alter gar nicht mehr beziehungsweise ganz flach nur mehr steigt.

Richard:
Also interpretiere ich das richtig, dass Menschen in ihrer Rushhour des Lebens, sagen wir zwischen 30 und 40, wahrscheinlich relativ mehr Geld brauchten als Ältere, die dann möglicherweise schon das Haus gebaut haben und die Kinder aus dem Haus haben. Ja,

Karl-Heinz Snobe:
Das ist genau so. Wobei es ja viele Branchen und das Fuß auf Kollektivverträgen vor allem jetzt schon gibt, wo mit 40 die Lohnkurve bereits erreicht ist. Also wenn man sich den Handel anschaut, eine Handelsangestellte ist aufgrund der Situation, dass man halt beispielsweise mit 15 zu arbeiten beginnt, haben den Zenit des Verdienstes mit 40 bereits erreicht.

Richard:
Was halten Sie von der Möglichkeit, dass Ältere, wie zum Beispiel in Skandinavien ab und zu üblich, in die zweite und dritte Reihe zurücktreten?

Karl-Heinz Snobe:
Ja, das wird sich eben jetzt gar nicht mehr so leicht ausgehen, weil es einfach die Situation verlangt, dass wir eigentlich vor allem auf ältere Arbeitskräfte noch stärker setzen müssen und sie nicht in der zweiten oder dritten Reihe brauchen, sondern sie nach wie vor ganz vorne brauchen. Das hat etwas mit dem Arbeitskräftemangel und mit dem Fachkräftemangel zu tun.

Richard:
Zweifellos. Aber es gibt doch Menschen, ich glaube, eine relativ hohe Anzahl, die dann mit 50 sagen, mein Gott, ich will keine Verantwortung mehr übernehmen, ich würde aber gerne meinen Job weiter bedienen, bin aber auch bereit, für etwas weniger Gehalt Verantwortung abzugeben.

Karl-Heinz Snobe:
Ja, das ist eine kulturelle Frage natürlich auch. Ich glaube, das sind Aspekte, wo die Politik

Karl-Heinz Snobe:
Ordnungsmäßig

Karl-Heinz Snobe:
Nicht eingreifen kann, sondern das geht nur langfristig. Im Sinne einer gesellschaftlichen Überlegung, dass das auch einen Wert hat, dass man eben nicht nur im Rahmen von Verantwortung und hierarchischer Karriere weiterarbeitet, sondern dass man mit Kompetenzen auch in der zweiten Reihe einen hohen Wert hat und einen guten Dienst leisten kann. Also das

Richard:
Ordnungspolitisch

Karl-Heinz Snobe:
Zu machen, da fehlt mir auch, muss ich gestehen, die Fantasie, wie man das tun könnte.

Richard:
Gut. Ein paar Fragen zu Beschäftigten 50 plus. Wie wichtig sind die? Was sind Ihrer Meinung nach in den Betrieben Mitarbeiterinnen jenseits von 50?

Karl-Heinz Snobe:
Ja, wie schon erwähnt, sie sind sehr wichtig und sie werden immer wichtiger. Gott sei Dank akzeptieren das immer mehr Unternehmen auch. Wir sehen das in den letzten Monaten ganz deutlich, dass es praktisch kein Problem mehr ist, jemand, der 50, 51 oder 52 Jahre alt ist, aus der Arbeitslosigkeit in Beschäftigung zu bringen. Es hat sich diese sogenannte Altersgrenze deutlich gemacht. Es hat sich deutlich nach oben verschoben, also wo es nach wie vor eine Art gläserne Decke gibt. Das ist so ab dem Alter von mittlerweile 55, 58, da erkennen wir das noch. Aber in der Gruppe der 50 bis 55, 56-Jährigen hat sich das schon deutlich verändert. Wir brauchen diese Personengruppen. Was sind

Richard:
Denn spezielle Potenziale?

Karl-Heinz Snobe:
Ja, was sind die Potenziale? Es geht natürlich um Erfahrung. Es geht um auch etwas wie Arbeitsethos. Neue zum Unternehmen, um Verantwortungsübernahme, Verantwortungsbereitschaft, die hier stark im Regelfall auch gegeben ist. Und natürlich auch fachliche Kenntnisse, die in einem hohen Maß bei diesen Menschen da ist. Was

Richard:
Tun Ihrer Erfahrung nach Firmen und Organisationen, um diese Menschen speziell zu unterstützen? Blickrichtung auch neue Welt, neue Arbeitswelt.

Karl-Heinz Snobe:
Ja, sie sind mittlerweile bereiter als es noch in der Vergangenheit. Wir haben uns auf die Arbeitsplatzsituation der betroffenen Personen geäußert. Auf Prozesse in den unternehmerischen Abläufen Rücksicht zu nehmen. Und auch in Dialogue treten mit dieser beschäftigten Gruppe. Um zu erfahren, wo die Probleme liegen, was solchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schwer fällt. Um eben darauf entsprechend reagieren zu können. Da geht es um Arbeitszeitgestaltung, da geht es um Tempo, da geht es um bestimmte Tätigkeiten, um Stärken entsprechend diese Menschen besser eingesetzt sind. Es geht im Regelfall darum, dass sie nicht in Konkurrenz stehen innerbetrieblich zu einem 30-jährigen Mann oder zu einer 30-jährigen

Richard:
Frau. Werden die Bedürfnisse dieser Älteren explizit abgefragt Ihrer Erfahrung nach?

Karl-Heinz Snobe:
Naja, es gibt Unternehmen, wo das passiert. Es gibt bestimmte Branchen, wo das mittlerweile stärker passiert. Es gibt auch mittlerweile gesetzliche Vorgaben, wo Unternehmen bestimmter Größen, Größenordnungen das auch zu tun haben. Da geht es um Frage von psychischer Gesundheit, die hier ja sehr oft dann das Ergebnis ist, also ein psychisches Problem, ein Ergebnis ist von einem falschen Einsatz. Es wird viel stärker abgefragt und die Ergebnisse werden dann vielfach auch stärker als in der Vergangenheit in die Praxis umgesetzt.

Richard:
Wechseln wir kurz die Position. Sehen wir uns nun aus der Sicht der Betroffenen. Was meinen Sie? Werden aus der Sicht der ArbeitnehmerInnen 50 plus besonders wichtige Faktoren für ein zufriedenes und effizientes Mitarbeiten? Ja, hier spielt

Karl-Heinz Snobe:
Natürlich das Thema Wertschätzung eine Rolle. Wertschätzung im Sinne, dass man, wenn man 50, 55, 60 Jahre alt ist, nicht zum alten Eisen gehört, sondern eben einen entsprechenden Wert noch im betrieblichen Ablauf und für Ergebnisse hat. Dass eben auch diese genannte Konkurrenzsituation unter MitarbeiterInnen und Mitarbeitern beachtet wird und dass eben vor allem auf diese zwei zentralen Aspekte wie Erfahrung und Spezialkenntnis Rücksicht genommen wird und das auch entsprechend wertgeschätzt

Richard:
Wird. Jetzt wiederum aus der Sicht der ArbeitnehmerInnen. Glauben Sie, dass deren Bedürfnisse genügend berücksichtigt, abgefragt und entsprechend gehandelt wird?

Karl-Heinz Snobe:
Also das muss natürlich noch stärker werden, wenn es gelingen soll, dass diese Altersgruppe länger in Beschäftigung bleibt. Da gibt es noch viel Luft nach oben. Da gibt es vor allem noch sehr viel Luft nach oben bei Unternehmen, die eben keine ausgewiesene Personalabteilung oder ein HR-Management haben.

Richard:
Gehen wir jetzt zu den etwas Älteren, 60, 65, also MitarbeiterInnen, die bereits in Pension sind oder demnächst sind. Wie wichtig sind diese Menschen für Betriebe und Organisationen?

Karl-Heinz Snobe:
Ja, bis zum 65. Lebensjahr jedenfalls einmal sehr wichtig. Es muss gelingen, dass diese Quote von circa 30 Prozent, die wir aktuell haben, dass eben Menschen zwischen 60 und 65 nur mehr im Erwerbsprozess sind, dass die deutlich nach oben steigt. Da haben wir Nachbarländer, wo das deutlich besser ist. Da ist Österreich schwach. Das ist ein Ziel, das es zu erreichen gilt. Und über das Alter von 65 hinaus trauen wir noch nicht tatsächlich nachzudenken.

Richard:
Gut. Das wäre jetzt über die verpflichtende Arbeitszeit, wo man dann mit 65 gehen könnte. Und heute ja, ich glaube, der Schnitt ungefähr bei 60 liegt bei Männern und nicht wesentlich darüber. Beschäftigen Ihres Wissens nach Firmen und Organisationen Menschen im Ruhestand darüber hinaus?

Karl-Heinz Snobe:
Also ganz wenig. Die Zahl ist nach wie vor gering. Wobei ich ehrlicherweise sagen muss, dass wir uns als Organisation und auch ich als Person mit der Zielgruppe jenseits des Pensionsalters nicht beschäftigen.

Richard:
Gibt es Ihrer Meinung nach besondere Hindernisse für eine Weiterbeschäftigung?

Karl-Heinz Snobe:
In der Pension? In der

Richard:
Pension? Ja,

Karl-Heinz Snobe:
Es gibt die ohnehin bekannte Problematik der Besteuerung, also Lohn- und Pensionsversicherungsaspekte, wo die Bundesregierung, wie bereits besprochen, sich damit beschäftigen möchte. Aber es gibt darüber hinaus natürlich Herausforderungen. Menschen, die in Pension sind, das ist meine persönliche Wahrnehmung, wollen natürlich nicht mehr ganztags weiterarbeiten. Hier geht es in allererster Linie um Teilzeitbeschäftigung und Beschäftigung. Ihren Stärken und Interessen entsprechend. Das ist eine Herausforderung für Unternehmen, genau solche Felder im Betrieb auch zu eröffnen und dann im betrieblichen Kontext, das heißt mit den Kolleginnen und Kollegen, so zu organisieren, dass das auch gut funktioniert. Das ist leicht gesagt, ist aber in der Praxis durchaus eine Herausforderung.

Richard:
Was halten Sie davon, von der Idee, dass Arbeitgeber nach neun Monaten, zwölf Monaten, ihren in Pension Befindlichen erneut ein Angebot machen? Weil mit den Interviews, die ich geführt habe, kommt sehr oft heraus, dass am Anfang die Pension toll ist und man alles aufholen kann, was man machen will, aber spätestens nach neun Monaten, zwölf Monaten fällt vielen die Decke am Kopf und sie würden gerne wieder gefragt werden und würden auch gerne wieder Teilzeit arbeiten.

Karl-Heinz Snobe:
Also wenn das so ist, dass es viele Menschen gibt, wo nach diesem Zeitablauf das Interesse an Arbeit wieder da ist, halte ich das für einen sehr klugen strategischen Weg, die Potenziale, wie ich sie nennen möchte, wieder anzuschauen.

Richard:
Sie haben vorher gesprochen von der Abgabenlast. Sie sind ja Fachmann. Ich will Sie nicht festnageln, aber können Sie mal ungefähr sagen, wenn jemand, sagen wir, 2.000 Euro Pension hat und geringfügig dazu verdient, was dem von der Geringfügigkeit bleibt?

Karl-Heinz Snobe:
Habe ich mir nicht durchgerechnet. Ich bin kein Sozialversicherungsexperte und Pensionsversicherungsexperte. Ich weiß es nicht. Also es kommt natürlich davon, was er vorher verdient hat. Da spielt die Steuerprogression eine Rolle.

Richard:
2.000 Euro Pension ist 2.000 Euro Pension. Aus. Aber nur, um die Größenordnung zu haben. Wenn er geringfügig dazu verdient, muss er ungefähr 150 Euro davon wieder abführen, was allein schon schwierig ist. Da bleiben 350. Wenn er 1.000 Euro dazu verdient, muss er knapp 500 Euro davon abführen. Und das ist natürlich ganz schwierig für die Menschen.

Karl-Heinz Snobe:
So,

Richard:
Wechseln wir jetzt wieder die Position. Jetzt gehen wir wieder in die Position der Pensionistinnen. Glauben Sie, dass in Pension Befindliche ganz allgemein noch in irgendeiner Funktion oder Arbeitsmodell überhaupt weiterarbeiten wollten?

Karl-Heinz Snobe:
Da bin ich mir sehr sicher. Weil es ja auch Statistiken und Studien gibt, dass Menschen, die in Pension sind, weiter tätig sind. Die Frage ist, in welcher Form sind sie tätig? Sind sie quasi im Erwerbsprozess? Da sind sie im Regelfall nicht. Aber sie sind in sozialen Organisationen aktiv, verbringen ihre Zeit sinnvoll im Sinne von sozialer Unterstützung, gewersester Art. Also ja, das Interesse, tätig zu sein, ist hoch und wird steigen. Da

Richard:
Gibt es ein schönes Buch, das heißt, ich arbeite nicht mehr, jetzt bin ich tätig. Was meinen Sie, wären aus Sicht der ArbeitnehmerInnen in Pension besonders wichtige Faktoren, sodass sie persönlich wieder weiterarbeiten würden wollen?

Karl-Heinz Snobe:
Persönliche Faktoren, bleiben wir zuerst bei denen, sind natürlich, wie schon erwähnt, Wertschätzung, sinnvoll Zeit zu verbringen. Natürlich die Frage von Zusatzeinkommen, sich etwas zusätzlich vielleicht leisten zu können. Und natürlich auch sinnvoll in einer Phase, wo man gesund ist, seine Zeit zu verbringen.

Richard:
Tun Unternehmen Ihrer Erfahrung nach genug, um in Pension befindliche Pensionierte wieder anzuregen, weiterzuarbeiten?

Karl-Heinz Snobe:
Also ich glaube, dass das in Österreich noch gar kein Modell ist, sondern es gibt einen Konsens im Regelfall nach wie vor, der sehr stark ausgeprägt ist. Wenn man in Pension ist, bleibt man in Pension und arbeitet nicht mehr im Unternehmen weiter. Wir reden aktuell ja hier von Ausnahmefällen, die bekannt sind. Ein richtiger Trend ist das noch nicht. Ich würde mir aber wünschen, dass sich das stark entwickelt.

Richard:
Also, wenn man die Statistiken liest, ist offensichtlich der Drang relativ groß und steigt auch, zumindest mit kurzer Entfernung zur Pensionierung. Nach ein, zwei Jahren flacht es ab. Auf der anderen Seite gibt es sehr viele Statistiken, die eindeutig darauf hinweisen, dass Menschen, die weiterhin tätig sind, deutlich gesünder sind. Und damit auch den Status. Das hat viel weniger Kosten. Ein Themensprung zum New Work. Wir haben es vorher kurz angesprochen. Wir sind ja in einem Arbeitsmarkt in einem gewaltigen Umbruch. Change auf allen Seiten. Wir haben den Wandel von Sinnfragen, Wertfragen, flexible Arbeitsgestaltung, Homeoffice, Digitalisierung und so weiter. Ganz viele Punkte. Was halten Sie von der Vier-Tage-Woche?

Karl-Heinz Snobe:
Also ich halte es für ein entsprechend sinnvolles und notwendiges Modell. Angesichts des Mangels an Arbeitskräften und in der Situation, wo Betriebe im Wettbewerb nach Arbeitskräften stehen. Wenn es sich betrieblich einrichten lässt und das lässt sich sehr häufig machen, dann ist es ein positives Modell, weil es Menschen die gewünschte zusätzliche Freizeit gibt in geblockter Form. Betriebe natürlich vor Herausforderungen stellt, die aber wie gesagt lösbar sind im Regelfall. Da muss man in Organisation, in Prozesse und in Abläufe investieren.

Richard:
Was halten Sie jetzt von dieser immer lauter geforderten Einstellung von Arbeitskultur auf Augenhöhe, Empathie, Wohlbefinden, Respekt etc? Wie sehen Sie das?

Karl-Heinz Snobe:
Ja, das sind keine Modetrends mehr. Das ist tatsächlich eine Entwicklung, mit denen sich moderne, zukunftsorientierte Betriebe immer stärker beschäftigen. Da geht es um Wertschätzung. Da geht es auch um Entwicklung von Humanpotenzial. Es reicht einfach nicht mehr, dass man Arbeitskräfte, Mitarbeiterinnen, Beschäftigte hat, die ihre Themen abarbeiten. Moderne Unternehmen und ein moderner Arbeits- und Wirtschaftsstandort braucht Arbeitskräfte, denen man begegnend auf Augenhöhe auch zutraut, das Unternehmen und den unternehmerischen Erfolg weiterzuentwickeln. Also von oben nach unten funktioniert das nicht mehr. Es braucht vielfach ein partnerschaftliches Umgehen auch im Arbeitsleben.

Richard:
Trifft diese, ich würde fast sagen diese Paradigmenänderung oder dieser Paradigmenwechsel, trifft der Ältere ganz besonders?

Karl-Heinz Snobe:
Ältere Beschäftigte glaube ich gar nicht so. Das ist aktuell nach meiner Wahrnehmung eher ein Thema der jüngeren Arbeitskräfte. Auch vom Forderungsstandpunkt her nehmen das jüngere Arbeitskräfte, Berufseinsteiger viel stärker in den Mund. Und die Wünsche und Forderungen noch partnerschaftlicher Arbeit im Unternehmen nach Sinnfragen kommt aus dieser Ecke deutlich stärker.

Richard:
In meinen Interviews wieder. Als Ergänzung dazu höre ich natürlich, dass ältere Arbeitnehmer plötzlich sehen, dass die Generation Z oder TikTok, wie man sie nennen will, heute Forderungen aufstellt, die sie selber sich nicht getraut hätten aufzustellen. Und sie plötzlich davorstehen und sagen, warum der und ich nicht? Also ich glaube, das wäre dann die Frage, ob nicht die Älteren früher oder später dann quasi rebellieren auch und sagen, warum soll ich nicht gleich behandelt werden wie die Jungen?

Karl-Heinz Snobe:
Davon gehe ich einmal aus. Dass ein kluges Personalmanagement die Arbeitskräfte gleich behandelt. Wenn ich entsprechende Entgegenkommen oder entsprechende Kulturthemen in einem Unternehmen einer Gruppe zugestehe, muss ich es der anderen Gruppe natürlich auch zugestehen. Aber dass es hier zu einer verstärkten Form von Forderung aus dieser Gruppe herauskommt, das glaube ich nicht. Wenn

Richard:
Sich zwei theoretisch, bitte sehr theoretisch gleich Qualifizierte um einen Job bewerben, und so gleich als möglich überhaupt sind. Und der oder die eine ist zwischen 30 und 35 und der andere ist zwischen 50 und 55. Wen sollte die Personalabteilung einstellen und warum?

Karl-Heinz Snobe:
Das ist eine nicht leichte Frage, weil Personaleinstellungen viele Faktoren zu beurteilen hat. Also da spielen viele Aspekte eine Rolle. Ich kann nur aus der Erfahrung sprechen und aus dem, was wir täglich im Arbeitsmarktservice merken. Natürlich nimmt Unternehmen lieber eine jüngere Person, schon alleine aufgrund der Möglichkeit, dass diese jüngere Person einfach länger im Unternehmen verbleiben könnte. Und betriebliche Investitionen, die ich natürlich in die Mitarbeiterinnen hineingebe, einfach mehr Wert haben.

Richard:
Ich bin am Ende. Habe ich irgendwas Wichtiges vergessen, was die Arbeitswelt 50 plus beinhaltet oder was ich berücksichtigen müsste? Was

Karl-Heinz Snobe:
Uns beschäftigt bei der Gruppe der 50 plus Personen, das ist sehr stark das Thema der Bereitschaft zur beruflichen Weiterbildung, zur beruflichen Qualifikation. Wir merken, dass es in dieser Altersgruppe natürlich eine stark verringerte Bereitschaft gibt, sich auch beruflich weiterzubilden. Auch persönlich mit Unterweitern zu bilden. Weil vielfach in dieser Altersgruppe zwei Aspekte hierzu eine Rolle spielen. Einerseits, dass sie sich lernen, nicht so zutrauen, wie es jüngere Menschen tun. Und auf der anderen Seite, dass sie eben vielfach glauben, das, was für meine berufliche Tätigkeit wichtig ist, dazu brauche ich nicht aktuell etwas dazulernen.

Richard:
Das komme ich schon.

Karl-Heinz Snobe:
Ja, richtig. Was

Richard:
Könnten, was sollten Arbeitgeber da tun?

Karl-Heinz Snobe:
Ja, genau. Auf diese Gruppe sensibel einwirken, dass sie sich ebenfalls beruflich weiterentwickeln, dass das Sinn macht, dass das für das persönliche Fortkommen sinnvoll ist und dass es natürlich auch für das Unternehmen wertvoll ist, wenn sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, die state of the art sind und dass es eben nicht unbedingt so sein muss, dass das, was man glaubt, ohnehin zu beherrschen, dass das auch tatsächlich beherrscht wird.

Richard:
Herr Magister,

Karl-Heinz Snobe:
Herzlichen Dank. Danke.

Richard:
Danke fürs Reinhören in meinem Video. Vielen Dank für den Podcast. Mehr Informationen gibt es auf meiner Webpage richardkaan.com. Bis zum nächsten Mal.

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