
„Senior Skills“ Die Interviews: Heute zu Gast ist die Leiterin des FAB Steiermark Martina Schröck
Für mein Buch über die Arbeitswelt 50+ durfte ich eine Reihe von besonderen Persönlichkeiten interviewen, aber auch Menschen, die diese Welt besonders gut kennen, da sie selber davon betroffen sind.
Heute zu Gast ist:
Die Leiterin des FAB Steiermark Martina Schröck.
Transkript
Richard:
Herzlich willkommen im Richard-Kaan-Podcast. Mein Ziel ist es, Unternehmen zu inspirieren, sich rechtzeitig mit Beschäftigten jenseits der 50 zu befassen. Ganz besonders, was ihre Fähigkeiten, also die Senior Skills betrifft. Darüber hinaus möchte ich Menschen motivieren, nie mit dem Aufhören anzufangen, denn die positive Beschäftigung hält sie jung und fit. All das mache ich mit Büchern und Vorträgen auf Bühnen oder aber hier in diesem Podcast.
Richard:
Für mein Buch über die Arbeitswelt 50 plus durfte ich eine Reihe von besonderen Persönlichkeiten interviewen. Heute zu Gast ist Martina Schröck. Politik-Dasein hat seine Höhen und seine Tiefen. So ziemlich alle davon hat Martina Schröck erlebt. Heute leitet sie den FAB Steiermark, einen gemeinnützigen Verein, der mit Qualifizierung, Beschäftigung und Betreuung arbeitssuchender Menschen die Voraussetzung für deren Beruf, die öffentliche Integration schaffen möchte. Danke für die Möglichkeit dieses Interviews. Frau Dr. Schröck, herzlichen Dank, dass ich Gast sein darf und mit Ihnen dieses Interview machen darf. Sie können sich sicher selber viel besser vorstellen, als ich Sie vorstellen könnte. Können Sie mir bitte ein bisschen was über sich erzählen?
Martina Schröck:
Ja, sehr gerne. Ich bin ausgebildete Soziologin, habe das Doktorat auf der Karl-Franzens-Universität in Graz abgeschlossen und war dann in der Sozialwirtschaft tätig als Personal- organisationsentwicklerin und Qualitätsmanagerin. War dann in Summe elf Jahre teilweise parallel auch zu dieser Tätigkeit in der Sozialwirtschaft in der Sozialpolitik tätig, war im Landtag Steiermark, war in der Stadtregierung in Graz, also habe ausschließlich Politik als Beruf ausgeübt. Und seit Ende 2016 bin ich wieder in die Sozialwirtschaft zurückgekehrt und beschäftige mich seither unter anderem mit der Zielgruppe der älteren Arbeitssuchenden. Und darf seit einigen Jahren den Verein zur Förderung für Arbeit und Beschäftigung, kurz FAB, in der Steiermark und in Kärnten leiten.
Richard:
Was macht der FAB in zwei Sätzen?
Martina Schröck:
Der FAB versucht, Menschen zu unterstützen, wieder in den Arbeitsmarkt zurückzufinden, nämlich Menschen, die Barrieren vorfinden.
Richard:
Können Sie mir ein oder zwei Highlights Ihrer letzten, sagen wir, 15 Jahre jeweils in einem Satz sagen?
Martina Schröck:
Der letzten 15 Jahre? Boah! Ich beziehe mich jetzt wirklich auf die Tätigkeit beim FAB und mein eines Highlight ist die Jobplattform, die wir im September letzten Jahres veröffentlicht haben, die speziell für ältere Arbeitssuchende und Unternehmern gedacht ist. Das Zweite ist, dass meine Organisation wächst, seit ich da bin. Das freut mich sehr. Kann
Richard:
Man das FAB ein bisschen flapsig bezeichnen als Arbeitsamt für Ältere?
Martina Schröck:
Arbeitsamt sind wir keines. Wir haben außerdem als zweite Schwerpunkt, Schwerpunkt-Zielgruppe jugendliche und junge Erwachsene. Also eigentlich haben wir mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich um diese Zielgruppe kümmern, aber eben als zweiten Schwerpunkt ältere Arbeitssuchende.
Richard:
Erwarten Sie in der nächsten Zeit ganz generell eine maßgebliche Änderung des Personalstandes in Unternehmen?
Martina Schröck:
Grundsätzlich meinen Sie in der Wirtschaft allgemein? Allgemein.
Richard:
Ja,
Martina Schröck:
Es ist wahnsinnig dynamisch in den letzten Monaten, Jahren. Wir arbeiten, wie gesagt, seit Ende 2016 sehr eng am Thema der älteren Arbeitssuchenden und da hat sich schon wahnsinnig viel verändert in der Haltung bei Unternehmen. Das heißt, am Anfang waren wir sehr, oder ja, wir kennen einfach diese Bittstellerhaltung. Wir gehen mit Unternehmen in Diskussionen und haben also sehr stark bemerkt, dass ältere Personen einen sehr, sehr defizitären Ruf haben. Das ändert sich, Gott sei Dank.
Richard:
Darf ich dazu ein bisschen später noch kommen? Jetzt noch der Allgemeine, damit wir uns vom Allgemeinen zum Besonderen nähern. Gibt es also Ihrer Meinung nach einen Mitarbeiterinnenmangel?
Martina Schröck:
Absolut.
Richard:
Was ist die Ursache dafür, Ihrer Meinung nach?
Martina Schröck:
Das ist eine gute Frage, das kann ich Ihnen nicht beantworten. Mich verfolgt diese Diskussionen auch und ja, es liegt sicher ein Stück weit daran, dass nicht rechtzeitig alle Ressourcen erschlossen worden sind, dass wir teilweise die Situation… dass gerade die Generation Z, also die Jüngsten am Arbeitsmarkt keine Lust mehr auf Vollzeitbeschäftigung haben, die Karriereleiter nicht mehr das Wichtigste im Leben ist, also da ändert sich einfach viel, ja. Work-Life-Balance als Schlagwort.
Richard:
Was halten Sie ganz generell vom Senioritätsprinzip? Spricht das steigende Löhne mit steigender Zugehörigkeit unabhängig von Leistung?
Martina Schröck:
Das hat in vielen Bereichen… tatsächlich für Benachteiligung von älteren Menschen gesorgt. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die gesagt haben, sie würden für weniger Geld arbeiten gehen, aber der Kollektivvertrag sieht es einfach nicht vor und es ist nicht möglich, ja.
Richard:
Meinen Sie, dass Beschäftigte über 50, also relativ gesehen oft, zu teuer sind für Unternehmen? Nein,
Martina Schröck:
Das meine ich absolut nicht.
Richard:
Würde aber vice versa heißen, dass sie in jedem Fall mehr leisten?
Martina Schröck:
Ich bin der Meinung, dass unabhängig vom Alter, Leistung entsprechend bezahlt werden muss, ja.
Richard:
Das würde aber dem Senioritätsprinzip entgegensprechen.
Martina Schröck:
Genau.
Richard:
Was halten Sie von der Möglichkeit, dass Ältere bei uns in die zweite oder dritte Reihe zurücktreten? Zum Beispiel sagen, ich gebe Verantwortung ab und bringe meine Arbeitsleistung ein, auch sehr viel davon, aber bin zufrieden, weniger Geld zu haben und weniger Verantwortung.
Martina Schröck:
Ja, das ist das gelebte Prinzip der Altersteilzeit, die ja gern und oft angenommen wird in Österreich.
Richard:
Altersteilzeit gibt ja nicht automatisch Verantwortung ab.
Martina Schröck:
Doch, also in vielen Fällen schon. Weil man nicht da ist. Weil man einfach, sehr viele haben ja nicht die Möglichkeit der geblockten Altersteilzeit, sondern der wirklichen Teilzeit. Das heißt, sie reduzieren ihr Stundenausmaß und das bedeutet in vielen Fällen, dass damit auch dem Wunsch nachgekommen wird und den Wunsch gibt es ja auch von vielen, dass sie sagen, sie wollen die letzten Jahre gemütlicher und angenehmer verbringen und damit auch weniger Verantwortung übernehmen. Also da kenne ich viele Beispiele.
Richard:
Aber meiner Erfahrung nach ist es auch so, dass wenn immer die Leute können, Altersteilzeit zu nehmen, nehmen sie sie geblockt. Du sollst sie gerne für früher in Pension. Wenn es die Möglichkeit gibt. Das geht ja an dem Sinn vorbei.
Martina Schröck:
Ja, wenn es die Möglichkeit gibt, definitiv. Unser Unternehmen zum Beispiel, wir beschäftigen knapp 4000 Menschen in Österreich. Bei uns gibt es die Möglichkeit nicht.
Richard:
Was halten Sie generell von der Möglichkeit, Gehalt einvernehmlich zu reduzieren gegen geringere Arbeitskraft?
Martina Schröck:
Hervorragend. Alles, was einvernehmlich vereinbar ist. Sollte umsetzbar sein.
Richard:
Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach in der Wirtschaft Mitarbeiterinnen mit 50 plus?
Martina Schröck:
Ja, enorm wichtig. Wir arbeiten, wie gesagt, schon sehr lange mit der Zielgruppe. Es ist eine sehr verlässliche, loyale Zielgruppe. Eine wissende, eine Zielgruppe, die auch vor allem viel Ruhe mitbringt aufgrund der Erfahrung, weil sie einfach schon viele Situationen erlebt hat. Und gerade in Krisenzeiten auch mit ruhiger Hand durchführen kann. Was
Richard:
Tun Firmen nach Ihren Erkenntnissen, um diese Menschen besonders zu unterstützen?
Martina Schröck:
Ja, mittlerweile Gott sei Dank immer mehr. Das war auch der Gedanke, warum wir zu unserer Jobplattform gekommen sind, dass wir gemerkt haben, dass Firmen dezidiert stärker auch Ältere ansprechen wollen, auf mehr Diversität in ihren Mitarbeiterteams auch setzen wollen.
Richard:
Werden diese Bedürfnisse ausdrücklich abgelehnt?
Martina Schröck:
Von
Richard:
Wem? Die Bedürfnisse der 50 plusjährigen Mitarbeiterinnen. Die haben ja möglicherweise andere Bedürfnisse als Generation TikTok. Werden diese Bedürfnisse abgefragt von der Wirtschaft?
Martina Schröck:
Von den Unternehmen, meinen Sie? Aus meiner Sicht immer mehr. Das zeigt sich auch darin, dass Angebote wie altersgerechtes Arbeiten in immer mehr Unternehmen Einzug findet. Dass es Fit-to-Work-Betriebsberatungen gibt, wo einfach auch die Angebote genutzt werden. Ein generationengerechtes Arbeiten für alle zu ermöglichen. Und es ist eigentlich ganz pragmatisch zu beantworten, immer mehr Unternehmen suchen dringend Personal und strecken die Fühler halt jetzt in alle Richtungen aus. Das klingt
Richard:
Nach Unfreiwilligkeit. Auch
Martina Schröck:
Ein Stück weit ist das sicher. Weil Unternehmen, die vor fünf Jahren nicht bereit gewesen wären, einen über 50-jährigen Menschen noch irgendwo einzuschulen, mit einer längeren Einschulungsphase machen, das ist jetzt selbstverständlich, weil sie eben auf der anderen Seite auch sehen, dass wenn ein über 50-jähriger bei Ihnen einsteigt, dass die Chance ziemlich hoch ist, dass der auch bei Ihnen in Pension geht. Das heißt, ich habe schon eine ziemliche Berechenbarkeit, was ich ja bei Jüngeren nicht mehr habe. Wir haben, ich habe gelesen, wir haben eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Menschen in Unternehmen von 3,4 Jahren. Und wenn ich weiß, dass jemand sechs Jahre zu arbeiten hat oder vielleicht sogar noch mehr, dann nehme ich den, weil dann kann ich einmal mit sechs Jahren fix kalkulieren.
Richard:
Wechseln wir jetzt kurz die Position aus der Sicht der Betroffenen. Was wären Ihrer Meinung nach aus der Sicht der Betroffenen besonders wichtige Faktoren für ein zufriedenes und effizientes Mitarbeiten in Unternehmen?
Martina Schröck:
Aus meiner Erfahrung, auch wenn sich die Situation verbessert hat, ist sie immer noch nachteilig für ältere Arbeitssuchende. Sie tun sich immer noch schwerer. Sie sind immer noch stärker von Langzeitarbeitslosigkeit.
Richard:
Aber was sind die Faktoren, die verbessert werden müssen? Die
Martina Schröck:
Faktoren, die verbessert werden müssen, dass noch immer mehr Unternehmen bereit sind, Bewerbungsgespräche zu führen. Ich habe Menschen in unseren Programmen, die erzählen mir, sie haben 50 Bewerbungen geschrieben und bekommen nicht einmal eine Antwort. Und das ist Lebensrealität von älteren Arbeitssuchenden. Da sind auch Leute dabei, die wirklich nur mehr 3, 4 Jahre bis zur Pension hin haben. Aber die machen die Erfahrung. Dass sie nicht gebraucht werden am Arbeitsmarkt.
Richard:
Gut, also das Respektieren oder auf Augenhöhe kommunizieren, ich biete mich an und ich habe einen Job, ist über die letzten Jahre sicherlich verloren gegangen. Respektlos, absolut. Was sind aber jetzt so Hard Facts Ihrer Meinung nach, die für 50 plusjährige Unternehmen einfach da sein müssen? Sie haben zum Beispiel gesprochen von altersgerechter Einrichtung. Was ist Ihrer Erfahrung nach hier noch gefragt?
Martina Schröck:
Also ich glaube, das, was wir uns alle wünschen, und da würde ich gar keine Altersgrenze ziehen, ist, dass wir einen Arbeitsplatz vorfinden, auf dem wir gesund arbeiten können. Und gesund im großen Sinne. Nicht nur körperlich gesund, auch psychisch gesund. Das heißt, Erholungsphasen ermöglichen, Urlaubsplanung ermöglichen, Gutes anbieten. Das machen ja immer mehr Firmen. Sie haben es angesprochen, dass die Firmen sich viel mehr bemühen müssen, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterstützen. Das heißt, gesunde Kantinen, Yogastunden, was auch immer.
Richard:
Tun das die Unternehmen schon? Ja,
Martina Schröck:
Immer stärker.
Richard:
Gehen wir jetzt zu den etwas älteren, 60-, 65-jährigen Mitarbeiterinnen, entweder kurz vorm Ruhestand, aber schon im Ruhestand. Wie wichtig sind in Betrieben oder in der Wirtschaft Beschäftigte kurz oder bereits in der Pension befindliche?
Martina Schröck:
Na ja, das sind sehr, sehr große Wissensträger. Das sind ja auch Menschen, die sich meistens dadurch auszeichnen, dass sie sehr, sehr lange in diesem Unternehmen tätig waren, weil das ist die Generation, die wirklich noch lange Betriebszugehörigkeiten hat. Und natürlich ist es wichtig, dieses Wissen im Unternehmen zu halten und nicht durch eine Pensionierung zu verlieren. Das heißt, es wäre eine wünschenswerte Möglichkeit, dieses Gleiten in die Pension wirklich sanft zu gestalten. Das heißt, das tun ja auch immer mehr Unternehmen, dass sie beispielsweise Pensionistinnen und Pensionisten dann noch als beratende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter beschäftigen.
Richard:
Gibt es Ihrer Meinung nach besondere Hindernisse für eine Weiterbeschäftigung in der Pension?
Martina Schröck:
Ja, also derzeit ist es einfach schwierig, weil die Situation die ist, dass wenn jemand in der Pension arbeitet, er dann noch einmal Pensionsversicherungsbeiträge zahlen muss.
Richard:
Nicht nur, das ist ja nur einer
Martina Schröck:
Von vielen. Nicht nur, das ist einer, genau, einer von vier. Aber das zeigt schon die Skurrilität der Situation, dass einfach eine Beschäftigung im Alter für viele Menschen nicht lukrativ genug ist. Kann
Richard:
Es aber sein, dass das eine Forderung der Gewerkschaft ist?
Martina Schröck:
Was?
Richard:
Die Beiträge für Pensionisten nicht aufzuheben. Es mag
Martina Schröck:
Sein, dass das eine Forderung der Gewerkschaft ist, ja.
Richard:
Was halten Sie davon, von einem Modell, das es zum Beispiel in Skandinavien gibt, dass man nach einem Jahr oder eineinhalb Jahren den in den Ruhestand Getretenen wieder ein Angebot macht? Der Hintergrund ist der, am Anfang heißt, ich muss jetzt alle Reisen machen, ich muss das Haus aufräumen, ich muss den Keller neu ausmalen und dann irgendwann fällt einem die Decke am Kopf. Und wenn man hier nach einer gewissen Zeit wieder ein Angebot macht, so sagt man, wäre die Response Rate besonders hoch. Was halten Sie davon? Also,
Martina Schröck:
Wie gesagt, ich für mich selber kann mir auch nicht vorstellen, mit dem Tätigsein, mit dem Arbeiten, mit was zu tun zu haben, aufzuhören und darum, ja, kann ich mir das sehr gut vorstellen. Ich denke, dass es gut funktioniert.
Richard:
Wir haben vorher von Steuern und Abgaben gesprochen. Sie sind Fachfrau.
Martina Schröck:
Nein, das bin ich nicht.
Richard:
Gut, es ist auch keine Falle, sondern wie hoch schätzen Sie ungefähr, ist der Anteil dessen, was man vom Zuverdienst in der Pension, in der Regelpension wieder abführen muss? Na
Martina Schröck:
Ja, mindestens 30 Prozent schätze ich.
Richard:
Ja, es ist mehr. Es wird nachher bis 65, 70 Prozent. Das Problem ist ja die Progression. Also, es ist schrecklich, wenn jemand dann, sagen wir, 1.000 Euro dazuverdienen würde, zahlt er 600.
Martina Schröck:
Der Durchschnittswert ist über 60 Prozent.
Richard:
Na ja, der Durchschnittswert ist über 50 Prozent.
Martina Schröck:
Ja, okay.
Richard:
Aber es steigert dann bis 60, 60
Martina Schröck:
Prozent.
Richard:
Ja, klar. Wechseln wir wieder die Position und gehen wir jetzt wieder in die Rolle der Pensionistinnen. Glauben Sie, dass in Pension Befindliche ganz allgemein noch in irgendeiner Funktion oder einem Arbeitsmodell weiterarbeiten wollen?
Martina Schröck:
Also, viele sicher, ja. Vor allem Menschen mit geringer Pension, ja. Die haben, die haben keine andere Möglichkeit.
Richard:
Gut, das ist eher ein Müssen als ein Wollen. Ja. Aber es gibt ja Untersuchungen auch, die nur abfragen, und jetzt schon vor dieser hohen Inflation, die wir haben, wie viel, glauben Sie, ungefähr ist der Prozentsatz derer im Ruhestand Befindlichen, die, sagen wir, nach einem halben Jahr oder Jahr wieder gerne arbeiten würden wollen?
Martina Schröck:
40, 50?
Richard:
Nein, ist es nicht. Aber es wäre, es ist, glaube ich, statistisch bei 30 Prozent. Okay. Ist aber das schon sehr viel. Was meinen Sie, sind die größten Hindernisse, wenn Ältere nicht mehr arbeiten wollen?
Martina Schröck:
Hindernisse inwiefern? Sie meinen, warum Ältere nicht mehr arbeiten wollen? Ja. Weil sie genug gearbeitet haben, weil sie müde sind, weil sie körperliche Leiden haben, weil sie die Möglichkeit haben, das erste Mal auf Reisen zu gehen in ihrem Leben.
Richard:
Glauben Sie, tut die Wirtschaft genug, um Pensionistinnen wieder zu animieren, weiterzuarbeiten?
Martina Schröck:
Glaube ich nicht, nein.
Richard:
So, machen wir einen Themensprung. Mhm. Wie immer man es bezeichnen will, Stichwort Change, würde ich sagen im Großen und Ganzen, speziell im Hinblick auf den Wandel von Sinnfragen, Wertfragen, flexibler Arbeitsgestaltung, Homeoffice, Digitalisierung und so weiter. Was halten Sie von der Vier-Tage-Woche? Viel. Bei vollem Lohnausgleich?
Martina Schröck:
Wäre fein.
Richard:
Kann sich das die Wirtschaft leisten?
Martina Schröck:
Das weiß ich nicht, aber wenn die Leistung in den vier Tagen erbracht wird, dann würde ich nicht sehen, was da dagegen spricht.
Richard:
Das würde aber heißen, dass es ja komprimiert ist, dass man ja in derselben Arbeitszeit mehr leisten würde müssen, damit man diesen einen Tag quasi mit hineinbringt. Genau. Trägt das zum Arbeitserfolg bei, wenn der Druck steigt?
Martina Schröck:
Also ich würde da sowieso eine freiwillige Basis machen und ich für mich persönlich kann mir gut vorstellen, nachdem für mich zehn Stunden Tage keine Besonderheit sind, dass ich an vier Tagen meine Arbeit mache und dafür drei Tage frei habe.
Richard:
Na gut, dann sind wir beim Bürgermeister Häupl, der das ja irgendwie ähnlich zitiert hat. Genau, der war schon
Martina Schröck:
Am Dienstag fertig.
Richard:
Auf der anderen Seite, glaube ich, ist das doch nicht sehr realistisch. Sie sind gewöhnt, zehn Tage zu arbeiten, als Politikerin zwölf, vierzehn Stunden gewesen. Ich muss sagen, schrecklich die Idee. Aber das kann man ja nicht allgemein anwenden. Wenn man den Leuten jetzt sagt, ihr müsst jetzt in vier Tagen die Arbeit von fünf Tagen machen, das ist ja nicht realistisch.
Martina Schröck:
Warum nicht? Ich muss ja die Arbeit nur umverteilen im Team. Es wird nicht überall funktionieren. Da gebe ich Ihnen recht, bei einer kleinen Firma, die einen Kundenbetreuer hat, die von Montag bis Freitag offen hat, wird es schwierig werden. Aber im Großen und Ganzen ist das einfach eine Sache der Einteilung.
Richard:
Was halten Sie von der immer lauter werdenden Forderung nach Arbeitskultur auf Augenhöhe? Stichwort Empathie, Wohlbefinden, Respekt, Förderung, Mitgestaltung etc? Ich
Martina Schröck:
Lebe das nicht anders. Ich kenne das nur so.
Richard:
Aber das war ja nicht immer so. Das
Martina Schröck:
Weiß ich nicht. Ich kenne es nur so.
Richard:
Was muss Ihrer Meinung nach ein guter Arbeitgeber Suchenden heute bieten?
Martina Schröck:
Ja, genau das, was Sie jetzt angesprochen haben. Einen Ort, an dem gewisse Werthaltungen da sind, in dem der Sinn der Arbeit auch ganz klar erklärt ist und sich die Menschen auch mit dem Sinn dieser Arbeit identifizieren können. Ein wertschätzendes Umfeld, ein gerechtes Umfeld, ein empathisches Umfeld.
Richard:
Meinen Sie, wird diese neue Arbeitswelt ältere Mitarbeiterinnen besonders treffen? Diese Umstellung?
Martina Schröck:
Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, dass das förderlich für alle ist, wenn das mit den positiven Aspekten zusammenhängt. Es gibt natürlich auch Entwicklungen, die ich für schwierig halte. Diese Homeoffice-Geschichten, dass sozusagen damit auch ein Stück weit der Identifikationsort der Arbeit wegfällt, und Arbeit und Privatleben wieder sehr knapp zueinander rücken, das sehe ich nicht ganz unkritisch.
Richard:
Auch sicherlich der geforderte Umgang mit der digitalen Welt, der für Ältere natürlich nicht immer so einfach ist. Genau.
Martina Schröck:
Wenn
Richard:
Wir zwei Bewerberinnen haben, für einen und denselben Job, und beide sind, sagen wir mal, gleich qualifiziert. Der oder die eine ist 35, und der oder die andere ist 55. Wen würden Sie einstellen?
Martina Schröck:
Die Frage kann ich so schwer beantworten, weil die Qualifikation alleine ja nichts aussagt, sondern es kommt ja auch ganz viel darauf an, welche Persönlichkeit ins Unternehmen einsteigt, welche Eigenschaften hat die Persönlichkeit, welche Softskills bringt die Person auch in ein Team mit, und ich würde immer danach entscheiden.
Richard:
So, jetzt sagen wir, all diese Dinge wären gleich. Sie sind wirklich nur mehr auf Ihr Gefühl, eingestellt. Wen würden Sie einstellen?
Martina Schröck:
Es ist eine sehr theoretische Frage, die ich so nicht beantworten kann. Aber ich hätte überhaupt kein Thema. Ich habe vor kurzem einen Herrn beschäftigt, der war damals 59, und der hat mich persönlich überzeugt, und den habe ich sofort beschäftigt. Und er ist noch immer bei uns, und er wird bei uns in Pension gehen.
Richard:
Das ist natürlich ein wesentlicher Aspekt. Ja. Das hat er selber angesprochen. Die Treue, die zu erwarten ist, ist wahrscheinlich höher als die bei einem 35-jährigen Verein. Wenn der schlecht ist, würde ich ihn wahrscheinlich nicht mehr brauchen wollen, und wenn er gut ist, wird er mal abgeworben werden. Habe ich irgendwas vergessen jetzt in meiner Aufstellung der Arbeitswelt 50 plus?
Martina Schröck:
Naja, was mir noch wichtig ist zu sagen, wir haben uns ja auch wissenschaftlich mit dem Thema auseinandergesetzt, und eine Haupterkenntnis ist tatsächlich, dass es ein großes Selbstwertthema gibt, bei der Zielgruppe. Das heißt, ich kann das nicht unterschreiben, was Sie vorher gemeint haben, dass auch die Älteren immer höhere Forderungen stellen. Ich erlebe das über weite Strecken wirklich noch anders. Ich erlebe eine Zielgruppe, die super qualifiziert ist, die wahnsinnig viel Erfahrung hat, und wir haben bei unseren Produkten und Programmen wirklich Leute dabei, die haben internationale Werke geleitet, und die haben das Thema, dass sie bei Bewerbungsprozessen einfach lange nicht berücksichtigt werden. Und das macht was mit dem Selbstwert.
Richard:
Kann man sagen, dass Sie eine hohe Leidensfähigkeit haben?
Martina Schröck:
Ja, und man darf auch nicht vergessen, dass wir ja bei dieser Zielgruppe auch davon reden, dass die oft wirklich sehr lange Betriebszugehörigkeiten haben. Und wenn es dann einen Golden Handshake gegeben hat, oder einen anderen Bruch, dann ist das eine traumatische Erfahrung für die Person. Das ist wie eine Scheidung.
Richard:
Frau Doktor, ich bedanke mich herzlich. Ich habe jetzt sehr viel erfahren. Danke sehr. Danke fürs Reinhören in meinem Podcast. Mehr Informationen gibt es auf meiner Webpage richardkaan.com. Bis zum nächsten Mal.